Militärische Verbände und religiöser Impetus verfolgen uns mit ihrer verheerenden und menschenverachtenden Mischung aus Gewalt und Mord bis in die heutige Zeit hinein. Irland in Europa, der Irak in Vorderasien und Timor in Asien sind aktuelle Schauplätze, wo im Namen Gottes (welchen auch immer) Tod, Verbrechen und Zerstörung Einzug halten. An Gegenwartsbezügen mangelt es demnach nicht.
Im Jahre 2003 beleuchtete eine Ausstellung das Verhältnis der alten Römer zu ihren Göttern. Diese war in Öhringen und anschließend in Aalen zu sehen, vorzustellendes Buch erschien als nachträglicher Begleitkatalog dazu, worin 50 Exponate in Wort und Bild aufgenommen werden konnten.
Einführend und mit dem Anspruch, allgemein verständlich gehalten zu sein, geben sechs Kapitel einen Überblick über römische Religion, über das soziale Umfeld der im Ausland stationierten Soldaten, deren private Religiosität, über den offiziellen Heeresglauben und abschließend über im Westen verehrte östliche Gottheiten. Im Anhang finden sich Literatur- und Abbildungsnachweise sowie die Umschriften und Übersetzungen der Texte von den abgebildeten Denkmälern.
Das Buch setzt seinen Schwerpunkt auf das 2. und 3. Jh. n.Chr., auf eine Zeit, wo die römischen Heerlager als befestigte Kastelle ein mehr oder weniger bedeutendes Hinterland besaßen, in dem sowohl Römer wie auch angrenzend lebende Volksstämme wohnten und Handel trieben. Der kulturelle Austausch unter den aus dem gesamten Römischen Reich stammenden Soldaten und mit den um die Kastelle siedelnden Germanen und Kelten war intensiv und keineswegs eingleisig.
Neben der offiziellen Heeresreligion, allem voran dem Fahnen- und Kaiserkult, prägten die persönlichen religiösen Bedürfnisse der Soldaten den praktizierten Glauben. Herkunft und soziales Umfeld der einzelnen Individuen durchmischen sich und lassen eine verbindliche römische Religion nicht entstehen. Ein Zusammengehörigkeitsgefühl erwächst - wenn überhaupt - nur durch die statische militärische Disziplin, die Treue zu dem Kaiser und den Eid auf die Fahne, dem die zivile dynamische, individuelle Provinzialreligion entgegensteht. Beide Systeme existieren unabhängig voneinander und bestehen nebeneinander. Konzeptionell greift der Begleitkatalog diese Besonderheit auf und illustriert mit möglichst vielen Einzelbeispielen und Einzelbefunden römisches Militärleben am Limes.
Zunächst geht der Band der Frage nach, wie und wozu Religion und Kult im Alltagsleben der Menschen praktiziert wurde. Dabei unterscheiden sich die römischen Bedürfnisse wenig von denen anderer Kulturen. Dazu zählen Schutz vor Gefahren, Befriedigung der eigenen Bedürfnisse, Unheil abzuwenden und die Götter um Obacht und Beistand zu bitten. Der Kontakt der Menschen zum römischen Pantheon ist von Pragmatismus geprägt. Ein gegenseitiges Geben und Nehmen (do ut des-Prinzip) bestimmt nach Vorstellung der antiken Römer ihr Gottesverhältnis, im privaten wie im militärischen Leben. Es wird kein Krieg geführt, ohne in Auspizien die Götter zu befragen, ohne ihnen regelmäßig zu opfern und sich damit ihres Wohlwollens zu versichern. Diese Gottesfurcht ist im alten Rom gepaart mit Pietät und Ehrfurcht vor den Ahnen. Beide Elemente verdeutlichen, wie stark durchzogen die römische Gesellschaft von 'religio' gewesen war. In diese Struktur hinein setzen die römischen Kaiser den ihnen zu Ehren vollzogenen Kult und binden ihre Militärs persönlich an sich. Ausdruck dieser Verehrung sind die Tempel, die mit fortschreitender Expansion des Römischen Reiches einer immer weiter in die Lebenswelt der unterworfenen Völker und Stämme vordringen. Deren eigene Gesellschaft und eigener Glaube wurden zerschlagen und durch römisches Kulturgut ersetzt. Hieraus bilden sich Subformen innerhalb der römischen Religion, die stark von lokalen Eigenheiten der Besiegten durchsetzt sind und neue Elemente in die Kultur der Sieger einbringen ('interpretatio Romana').
Auf diesem Hintergrund geht der Begleitkatalog nun ins Detail. Geschätzte 60000 Soldaten zzgl. Händler und anderes die wirtschaftskräftigen Militärs begleitendes Volk dürften Ende des 2. Jh.s n.Chr. in Germanien stationiert gewesen sein. Hinzu kommen die um die Kastelle herum siedelnden Veteranen und deren Angehörige. Detailreich werden Kultpraxis und lokal verehrte Gottheiten sowie einzelne Heiligtümer vorgestellt. Gebietskarten und Rekonstruktionszeichnungen bereichern die Objektwiedergabe und veranschaulichen sehr gut den Text.
Nicht zu überzeugen vermag die grafische Gestaltung des Bandes. Texte wie Bilder sind durchweg sehr eng aneinandergesetzt, sie berühren sich fast (besonders S. 75). Der Satzspiegel ist äußerst unruhig, nicht immer reicht der Flattersatz bis an das Ende der Zeile (Beispiele S. 20 oder S. 78). Unüblich ist der durchgängig verwendete Absatzeinzug nach Überschriften. Die Abbildung 40 ist spiegelverkehrt, was unter Berücksichtigung des eigens dort angegebenen Objektsverweises auf Abbildung 56 leicht vermeidbar gewesen wäre. Schreib- und Kommatafehler haben sich hingegen nur wenige eingeschlichen.
Die angestrebte Allgemeinverständlichkeit (S. 5) ist an vielen Stellen einer Detailverliebtheit zum Opfer gefallen, wenn z.B. aus Seite 91 eine Diskussion um 'SIGIOPI' geführt wird, ohne daß ein direkter Bezug im Buch hergestellt worden ist. Formulierungsschwächen wie auf Seite 57 ('Eindeutiger ist dagegen die Zuweisung ' einer Signumspitze, die ' wohl eindeutig zu einem ' Feldzeichen gehört' hat) hemmen den Lesefluß und drücken eher die akademische Unsicherheit im wissenschaftlichen Diskurs aus. Sie machen exemplarisch deutlich, daß die Autoren bisweilen ihr vordefiniertes Leserklientel aus den Augen verloren haben. Redaktionelle Versäumnisse - ist Diana Abnoba auf Seite 75 noch die Interpretation der Lokalgöttin des Schwarzwaldes, ist sie auf Seite 90 gesichert die Herrin des Schwarzwaldes - vervollständigen den Gesamteindruck des Werkes: Die Autoren erwähnen (allzu)oft, nicht die Forschungslücke bei der Untersuchung der Provinzial- und Regionalreligionen im Bereich des obergermanisch-raetischen Limes schließen zu wollen. Ihr vorgelegter Band jedoch offenbart, sie haben sich von dieser Idee nicht weit genug entfernt, um einen allgemeinverständlichen, einführenden Begleitkatalog schreiben zu können. Weniger wäre an vielen Stellen mehr gewesen, denn wissenschaftlich bedingtes Abwägen im Text zugunsten einer leichter lesbaren, vereinfachten Darstellung aufzugeben, schafft mehr Raum, das große Ganze zu entwickeln. Dies ist im Buch versäumt worden.
Die Einzelbeispiele und -befunde stehen wie in einem Lexikon unverbunden nacheinander, die Objekte sind Stichwortgeber für die Textbeiträge. Umgekehrt hätte es zu einer allgemeinen Darstellung gepaßt: eine fortlaufende, systematisch aufeinander aufbauende Einführung (z.B. religiöse Vorstellung der soldatischen Herkunftsländer; Kaiser- und Fahnenkult als Mittel politischer Integration; keltisch-germanische Sonderformen griechisch-römischer Gottheiten als Symbiose verschiedener Kulturen etc. pp.), in die die Exponate der Ausstellung als Belege integriert werden. Die reichen Fachkenntnisse beider Autoren hätten durch eine am Leserkreis orientierte Konzeption besser kanalisiert werden müssen.