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Entre chien et loup. - WLA-Online - Wissenschaftlicher Literaturanzeiger
Entre chien et loup.
Briefe und Biographie, Band 1: 1785-1808.

Über Johann Christian Günther, den Dichter zwischen Barock und Aufklärung, hatte Goethe ' Pückler besuchte ihn einmal in Weimar ' gesagt: 'er wußte sich nicht zu zähmen und so zerrann ihm sein Leben wie sein Dichten'. Auch der junge Pückler mußte Schulen verlassen, weil er 'nicht zu bändigen' war. Der später in seinem Leben gefürstete Graf hat indes im Unterschied zum Dichter die Selbstdisziplinierung schließlich geschafft. Es war ein langer Weg, der immerhin in Absprache mit seinem Vater und der geschiedenen Mutter begangen wurde. Verschwenderisches Verhalten führte dazu, daß er aufgrund hoher Schulden ein juristisches Studium in Leipzig abbrechen mußte; jahrelang hat er mit den Gläubigern, die ihm keine Ruhe gönnen, zu tun. Die frühen Briefe, die hier in einer schönen, vorbildlichen Ausgabe vorliegen, sind voll der Klagen, der Bitten um Geld, der Flucht. Auch als Lieutenant der Garde du Corps in Dresden kommt er mit sich und der Welt nicht zurecht; seine Escapaden sichern ihm den Beinamen 'der Tolle'. In Wien muß er sich mit Duellforderungen herumschlagen. Dann aber meldet er sich freiwillig zur Teilnahme bei den Befreiungskriegen. Er wird Adjutant des Weimarer Großherzogs Karl August, der selbst in preußischen Diensten stand. Ganz kann er freilich auch in seinem späteren Leben schiefe Unternehmungen nicht vermeiden: von einer fünfjährigen Reise durch Griechenland, den Vorderen Orient, Ägypten und Algerien kommt er aufsehenerregend mit einer schönen braunen Freundin zurück; als sein riesiges Erbgut Muskau durch seinen ausschweifenden Lebensstil hoch verschuldet ist, trennt er sich einvernehmlich von seiner Frau, um in England so reich zu heiraten, daß seine finanziellen Probleme gelöst wären. Diese Absicht schlägt zwar fehl; aber er hat sich dort jene Anregungen geholt, die ihn zum ganz großen Gartenbaukünstler werden ließen.
Von Anfang an, Pückler bringt das als Talent mit auf diese Welt, kann er lebendig, anschaulich, spannend, unterhaltend schreiben. Seine späteren Erfolge als Reiseschriftsteller sind so quasi vom Himmel gefallen. Seinem Lehrer schreibt er aus Muskau über ihm bekannte Personen: 'Herr Brescius und der Doktor Marggraf sind Bräutigam; letzterer wird die Mademoiselle Vogel heiraten, nachdem er lange sich dagegen gesträubt, endlich aber doch unterlegen war, indem er einen Blick auf die 8.000 Taler Mitgift geworfen hatte.' Er ist auch ein Meister im Schreiben von Liebesbriefen, die Lektüre einschlägiger zeitgenössischer Handreichungen klingt durch; er bedrängt werbend eine verheiratete Frau: 'Als ich mir heute  verschiedene Gespräche, die ich mit Ihnen hatte, wieder vor Augen führte, erinnerte ich mich an einige Szenen, in denen Sie sich  auf Ihre Pflichten gegenüber Ihrem Ehemann beriefen etc. Sie scheinen sie höher zu bewerten als jene des Menschlichen (...).' Er spielt völlig amoralisch Pflicht gegen Neigung aus. Indes weiß er, wie gut er ist, in seinem Nachlaß fand man ein Briefbündel mit Pücklers handschriftlicher Bemerkung: 'Konzepte alter Liebesbriefe, bei Gelegenheit wieder zu benutzen.' Er hatte diese Gabe, erotische Texte zu verfassen, wohl von seinem Großvater, der sich auch als Dichter versuchte: 'Liebliche Musik mit Schalle, Schöne Rappen in einem Stalle, Ein schön Medtgen im Bette, Seyndt drei Dinge, ich gern hätte.'
Pückler wußte, was damals wohl Standardwissen war, das der Hallesche Ästhetiker Georg Friedrich Meier so zusammenfaßt: 'Man kann die Anständigkeit und Freyheit der Sitten weder aus Büchern, noch durch den mündlichen Unterricht, noch durch die Gelehrsamkeit, noch durch das eigene Nachdenken in seine Gewalt bekommen. Sondern der bloße Umgang  artiger Leute ist die Schule der Ehrbarkeit und des anständigen freyen Wesens.' Deutlich wird: was für den bürgerlichen Handwerksgesellen die Walz, das war für den Adligen das Reisen, die Möglichkeit Erfahrungen zu machen, die zu Hause, im hinterwäldlerischen Muskau, kaum denkbar waren. So reist Pückler nach München, Prag, Wien und von überall liefert er informierende und unterhaltende Berichte in Briefform. Er beobachtet einen Kapuziner, der durch die kaiserliche Gruft ' 'gegen 70 Prinzen und Prinzessinnen' sind hier begraben ' eine Gruppe junger Mädchen führt. 'Anstatt erbauliche Anmerkungen über den Tod zu machen, wozu die uns hier vor Augen liegende Vergänglichkeit aller menschlichen Größe eine so gute Gelegenheit gab, amüsierte sich im Gegenteil der fromme Pater  soviel als möglich Anspielungen auf das zu machen, was Leben gibt (...).'
Die Briefe berichten aber auch über den Alltag in Muskau, über Hochwasser, Mißernten, Hungersnöte; 1766 brennt das Stadt-Dorf Muskau (kaum 1500 Einwohner) ab. Und sie zeigen die alteuropäische Art, wie damit umgegangen wurde; Vaupel gibt in seiner sehr schön geschriebenen Einführung in die Geschichte der Standesherrschaft Muskau einen Teil der Predigt wieder, die auf diese Brandkatastrophe antwortet: 'Wir haben, weinende Gemeinde, in unserm gegenwärtigen Elende harte Züchtigungen blos von dem Herrn erfahren (...)'; es war 'die Hand des Herrn, die den Sünder zu züchtigen pfleget'. Der gute Prediger sieht hier 'Folgen der Erbsünde, Sodom, Trunkenheit, Völlerei etc.' Das ist von heutigen islamischen Deutungen von Tsunamis nicht allzu weit entfernt.
Die Aufklärung hatte Muskau noch nicht erreicht.
Der Herausgeber Vaupel verbindet die Briefe mit erläuternden Bemerkungen, ausführliche Endnoten erklären dem heutigen Leser Unbekanntes, die französischen Briefe (etwa an die Mutter) sind hervorragend übersetzt.
Man darf jedem gratulieren, der sich den Band zum Lesen gönnt: man erwartet den zweiten Teil mit Spannung.