Schlussstrich. Kritik des Christentums

Schon in zweiter Auflage erscheint diese Kritik des Christentums, die viele, viele Vorgänger hat (vgl. z.B WLA 1, 2006: Das Testament des Abbé Meslier. Die Grundschrift der modernen Religionskritik, hg. von Hartmut Krauss).
Der Autor geht scharfsinnig an die Sache ran, z.B. hält er fest, daß die Ethik des Christentums eine Belohnung vorsieht: wer seine Eltern ehrt, lebt lange; die Friedfertigen werden das Land erben (ja wann, möchte man fragen in dieser von Gewalt bestimmten Welt). Lohn und Strafe, härteste Strafandrohungen, Zuckerbrot und Peitsche: das ist ein Stand von Vernunftevolution, der weit hinter Kant zurückbleibt. Für den Königsberger gilt nur die autonome Entscheidung für das Gute, das um seiner selbst willen getan wird. Soweit der Mensch es tun kann: denn das Liebesgebot ' liebe deinen Nächsten wie dich selbst! ' sei überhaupt nicht in seiner Gänze realisierbar, meint B. Müller, es belaste so den Einzelnen mit einer 'unerträglichen Bürde'. Der Autor findet in seinem schmalen Bändchen gegen vierzig Argumente gegen die Ideologie, gegen die Mythologie des Christentums. Das Neue Testament wird zu einer Märchensammlung.
Das ist alles gut und richtig in einer pluralen Welt der Meinungen ' es geht aber in prägnanter Weise an dem vorbei, was Religion heute ' nach Humanismus und Aufklärung ' sein kann: ein Glaube, der dem ' begründbaren ' Wissen keine Rechenschaft ablegt. Kant hatte das Wissen begrenzt, kritisch, um dem Glauben Platz zu machen. Conceptio immaculata ' entmythologisierend immer zu retten als Zeichen der menschlicher Bildungskraft aus dem Geist, Transsubstantiation, Auferstehung, Himmelfahrt (gar Mariens), all diese Dogmen, Mythologeme: wer sie glauben will, mag das tun, er darf es und soll es. Ansonsten aber hat er sich ' der Gläubige jedweder couleur ' an das GG zu halten und das BGB und an all das andere, das unser parlamentarisch-demokratischer Gesetzgeber, im Bunde mit seiner Administration, an bürokratischen Verordnungen, besonders z.B. auch im Steuerrecht, an Schikanen erfunden hat. Als Gläubiger bleibt ihm nur der lange Marsch durch die demokratischen Institutionen, seine Religion, wenn sie politisch wirken will, muß zur Partei werden, die versucht, Mehrheiten zu gewinnen. Dabei hat sie jene Leitwerte zu beachten, die das lumen naturale beleuchtet. Heute gehört dazu zuvördest der Verzicht auf jede Gewaltanwendung.