Das alte Ägypten und seine zahlreichen, verschiedenartigen Hinterlassenschaften sind seit Bestehen der Ägyptologie als deren Wissenschaft in ebenfalls vielen und unterschiedlich strukturierten Einzel- und Übersichtsarbeiten erschlossen worden.
Nach dem Wörterbuch der aegyptischen Sprache von Adolf Erman und Hermann Grapow der Jahre 1926 ' 1931 konnte zwischen 1975 und 1992 das Lexikon der Ägyptologie erstellt werden, die als universelle Nachschlagwerke den (damaligen) Kenntnisstand der Ägyptologie zu Sprache und Kultur des alten Ägypten aufbereiteten. Einzelne Forschungsschwerpunkte wie Medizin, Religion oder Geschichte Altägyptens können heute bereits auf ausgezeichnete Zusammenstellungen zurückgreifen (z.B. W. Westendorf, Handbuch der altägyptischen Medizin, das von Chr. Leitz herausgegebene Götter- und Dämonenlexikon oder das von Th. Schneider erarbeitet Lexikon der Pharaonen); anderes wie z.B. ein 'Lexikon zur Literatur des alten Ägyptens' bleibt dringend zu wünschen.
Die von Kathryn A. Bard herausgegebene Encyclopedia of the Archaeology of Ancient Egypt ist im Kern eine längst überfällige Ergänzung zur Topographical Bibliography of Ancient Egyptian Hieroglyphic Texts, Reliefs, and Paintings vonm Bertha Porter und Rosalind L.B. Moss (1927 ff.). Hier nun in alphabetischer und nicht geographischer Reihung sind die etwa 100 archäologisch und kulturhistorisch wichtigsten Stätten Ägyptens zusammengestellt worden.
Vorangestellt sind den Lexikoneinträgen diverse Verzeichnisse (list of illustrations, list of abbreviations, list of contributors), eine Übersichtskarte, Benutzerhinweise und eine tabellarische chronologische Übersicht zu den altägyptischen Epochen. Daran anschließend bieten etwa 80 Seiten eine Orientierung in Geschichte und Kultur Altägyptens.
Neben den zu erwartenden topographischen Stichworten haben auch kulturhistorische Lemmata Eingang in die archäologische Enzyklopädie gefunden ('A-group culture' bis 'writing, reading and schooling'), also alles das, was sich sichtbar erhalten verschiedenen Kulturbereichen zuordnen läßt.
Schon diese Gliederung erweckt einen höchst positiven Eindruck, den das vorliegende Werk auch inhaltlich bestätigt: Die Autoren sind ausgewiesene Kenner in den ihnen zugeteilten Gebieten (oftmals Grabungsleiter oder Verfasser einschlägiger Werke), die fachkundig wie allgemeinverständlich ihr Wissen in die jeweiligen Artikel haben einfließen lassen. Besonders die praktizierte Stringenz bei der inneren Gliederung der Orts- und Städteeinträge macht es dem Leser leicht, sich zu orientieren: Auf die genaue Lokalisierung (sehr häufig mit zusätzlicher detaillierter Karte) folgt Forschungsgeschichte und Quellenkunde der beschriebenen Ortschaft. Wenn möglich (und nötig) ist das Lemma epochal untergliedert, in den jeweiligen Abschnitten werden dann Fundkomplex und -situation sowie bedeutende Einzelfunde behandelt. Querverweise, Literaurangaben und Verfassernamen beenden den Eintrag. Diese eher technisch anmutenden topographischen Beschreibungen wechseln mit z.T. essayistischen Artikeln wie z.B. 'egyptology' oder 'mortuary beliefs'. 'Metallurgy' oder 'natural resources' sind willkommene Ergänzungen in einer Encyclopedia of the Archaeology of Ancient Egypt und durchaus nicht selbstverständlich (diverse andere Nachschlagewerke wie Der Kleine Pauly oder A. Gorys, Wörterbuch Archäologie lassen diese Themen missen).
Zwei Bemerkungen am Rande, die sich bei der Durchsicht des Bandes ergaben: 1) den 1993 verstorbenen Wolfgang Helck mit einem posthumen Beitrag (Assyrians) zu finden, stellt die hier nicht zu beantwortende Frage nach Aktualisierung der Beiträge; 2) Bubastis als ägyptische Ortschaft, Minoer und Hethiter als archäologisch in Ägypten greifbare Nachbarkulturen bleiben aus der Gliederung der Enzyklopädie heraus unverständlich ausgespart.
Die Encyclopedia of the Archaeology of Ancient Egypt ist konzeptionell im Augenblick sicher eines der besten ägyptologischen Werke (als Bonbon könnte im Autorenverzeichnis noch vermerkt werden, welches Stichwort der jeweilige Verfasser bearbeitet hat), die Beteiligung derart vieler anerkannter Spezialisten bezeugt zudem das organisatorische und redaktionelle Geschick der Herausgeberin. Diese neue Generation Nachschlage- und Übersichtswerke setzen sich hoffentlich rasch innerhalb der Ägyptologie durch ' besonders in der Lehre sind sie für den Wissenschaftler eine große Arbeitserleichterung. Außerhalb des Faches wird die archäologische Arbeit durch klar gegliederte, zusammenfassende Lexika transparenter, und erst für eine allgemein interessierte Leserschaft konzipierte Bände zur Archäologie schaffen Interesse und Bekanntheit an wissenschaftlicher Forschung und Methodik.