Reclams Bibellexikon

Um es gleich vorwegzunehmen: Das Lexikon bietet solide und zumeist ausreichend ausführliche Informationen zu einer respektablen Anzahl von Stichworten und ist jedem zu empfehlen, der sich Grundinformationen im Bereich der Bibel verschaffen möchte. Ergänzt wird das Werk durch 156 Abbildungen in Gestalt von Zeichnungen und Fotographien, zwei Zeittafeln und insgesamt 6 Karten.
Die Illustrationen sind zum Teil aus vergleichbaren Werken bekannt (wie z.B. das Stempel-Siegel aus Megiddo), zum Teil jedoch durchaus außergewöhnlich oder sogar exklusiv: So zeigt die Fotographie von Qumran nicht nur die üblichen Höhleneingänge von Höhle 4 (S. 445) sondern u.a. auch ein Luftbild der ganzen Anlage (S. 441). Der Tonsarg aus Byblos (S. 52) oder das Foto des Syro-Sinaiticus (S.91) als Beispiel einer Bibelhandschrift findet sich auch eher selten. Gelegentlich wäre allerdings eine (Nach-)Zeichnung einem Foto vorzuziehen (etwa Abb. S. 308 und S.410). Während die Zeittafeln deutlich über vergleichbare Übersichten wie etwa in der Einheitsübersetzung hinausgehen, trifft dies für die Karten nicht zu.
Hinsichtlich der Länge der Artikel zu den einzelnen Stichworten wird man sich sicher streiten können. Die Vf. bzw. Hgg. haben hier Augenmaß bewiesen. Bei einigen Stichworten sollte man sich dennoch überlegen, in einer zukünftigen Auflage etwas ausführlicher zu werden, wie z.B. bei der Gestalt des Judas Iskariot, der nur als Unterpunkt unter dem Namen Judas als der Verräter Jesu abgehandelt wird. Auch die Person der Maria Magdalena kommt angesichts ihrer Bedeutung als Osterzeugin und hinsichtlich ihrer Wirkungsgeschichte deutlich zu kurz. Als besonders positiv ist hingegen zu vermerken, daß der vernachlässigten Apostolin Junia ein kleiner Abschnitt gewidmet ist.
Die Artikel selbst enthalten konzentriert die grundlegenden Positionen und sind zumeist auf dem Stand neuerer Forschung. Allerdings ist die Darstellung der neueren Positionen in ihrer Ausführlichkeit zum Teil sehr divergent: Während Vf. des Artikels zum 'Jahwisten' (S. 251) an diesem als Redaktor und als Quelle festzuhalten scheint, wird die Möglichkeit seiner Spätdatierung durchaus vorgestellt. Die kritischen Anfragen aus der neuesten Forschung an den 'Elohisten' (S. 131), die die Existenz dieser Schicht als Quelle aufzugeben bereit sind, kommt hingegen nicht zur Sprache.
Auch in der Frage des Deutero- und Tritojesaja , die Vf. als anonyme Propheten ausweist, geht man in der Forschung neuerdings eher von redaktionellen Kompositionen (vgl. O. Kaiser: Grundriß der Einleitung II. Gütersloh 1994, S. 60f) oder sukzessivem Wachstum (vgl. H.W. Jüngling: Das Buch Jesaja, in: E. Zenger u. a.: Einleitung in das Alte Testament. 5. Auflage, Stuttgart 1994, S. 265) aus.
Zum 'Matthäusevangelium' heißt es (S. 349): 'Heute kann nämlich als sicher gelten, daß das M. aus zwei Quellen entstanden ist...': Rez. ist zwar auch der Auffassung, daß die Zweiquellentheorie das synoptische Problem immer noch am besten löst, aber sie bleibt eine Theorie, die von so manchem Exegeten, vor allem im francophonen Sprachraum, keineswegs unumschränkte Zustimmung erfährt. Auch das Thema Essener und Qumran sollte etwas zurückhaltender angegangen werden. Bekanntermaßen differieren die Aussagen antiker Schriftsteller (Philo, Josephus, Plinius) in der Darstellung der Essener sehr stark, so daß nicht unumstritten von einer 'mönchsartigen Gemeinschaft' gesprochen werden kann. Besonders die Frauen- und Kindergräber im Umfeld von Qumran sprechen gegen diese Möglichkeit und relativieren auch die behauptete Ehelosigkeit (S. 444). Zudem ist die Identität der Essener mit den Qumranleuten keineswegs 'gewiß' (S. 144) ' hier formuliert der Vf. des Artikels über 'Qumran' zurecht zurückhaltender (S. 443).
Natürlich stellt sich die Frage, ob derartige Divergenzen von Forschungsmeinungen in einem Handlexikon überhaupt berücksichtigt werden müssen und inwieweit aktuelle Forschungstrends dort wiedergegeben werden müssen. Andererseits sollten sich in einer aktualisierten Auflage auch aktuelle Positionen wieder finden. Bei den weitaus meisten Artikeln stellen sich derartige Fragen jedoch nicht und so bleibt das eingangs abgegebene Urteil unumschränkt bestehen.
Als Fußnote sei angemerkt: Angenehm ist der Beitrag des Werkes hinsichtlich der wieder zunehmenden babylonischen Sprachverwirrung bei der Schreibung von Biblischen Namen und der Bezeichnung der Bücher der Bibel: Hier haben die Verfasser die ökumenischen 'Loccumer Richtlinien' aus dem Jahre 1971 beibehalten und leisten damit einen verbindenden Beitrag für die bedauerlicher Weise zusehends im Schwinden begriffene konfessionsübergreifende Lektüre der Bibel.