Der Holocaust und die Künste
Medialität und Authentizität von Holocaust-Darstellungen in Literatur, Film, Video, Malerei, Denkmälern, Comic und Musik

Schon der Titel provoziert und weckt die Neugier des Lesers. Eine drängende Frage stellt das Buch an den Rezipienten: Wie wurde der Holocaust in den unterschiedlichen Künsten umgesetzt und verarbeitet? Ein Blick auf den Untertitel des von Matías Martínez herausgegebenen Sammelbandes klärt den interessierten Leser über die behandelten Kunstrichtungen auf: 'Medialität und Authentizität von Holocaust-Darstellungen in Literatur, Film, Video, Malerei, Denkmälern, Comic und Musik'.
Es ist eine umfassende Aufgabe, die sich die Autoren der einzelnen Beiträge gestellt haben eine Aufgabe, die sicherlich den Rahmen von gerade einmal 191 Seiten um ein vielfaches sprengt. Und so darf der Leser auch nicht mit einer erschöpfenden Antwort auf die im Untertitel angekündigten Themenbereiche rechnen. Aber um es gleich vorweg zu nehmen es liegt hier ein Band vor, der mit herausragenden Autoren und Wissenschaftlern aus dem Gebiet der Holocaustforschung aufwartet, welchen es gelingt, tief in die jeweiligen Kunstbereiche einzutauchen. Die Fragestellung, die dem Band zugrunde liegt, formuliert Matías Martínez in seiner Einführung in die Thematik. Er versucht den Begriff der Authentizität, der hier mit den Attributen wie 'wirklich, wahr, echt, original oder unmittelbar' (S. 10) gleichgesetzt wird und besonders in der Holocaustliteratur von zentraler Bedeutung ist, mit den künstlerischen Darstellungsweisen und ihren gegensätzlichen Attributen 'erfunden, manipuliert oder künstlich' (S.10) in Beziehung zueinander zu setzen. Seine vier zentralen Untersuchungsmerkmale zur Feststellung von Authentizität Autor, Referenz, Gestaltung und Funktion im Umgang mit dem Kunstwerk bestimmen die folgenden Aufsätze. Der zweite Begriff, der neben der Authentizität in allen Beiträgen eine gewichtige Rolle spielt ist der der Medialität. Hier soll z.B. eine Verknüpfung zwischen 'den authentisierenden Kombinationen von Schrift mit anderen Medien in verschiedenen Künsten' (S. 18) untersucht werden.
So beginnt Frieder von Ammon mit einer eher musiktheoretischen Untersuchung von Steve Reichs Komposition 'Different Trains', einem Musikstück, das die jüdische Identität des Komponisten mit Interviewbruchstücken von Zeitzeugen bzw. Holocaustüberlebenden und authentischen Zuggeräuschen verknüpft.
Es folgt Heinrich Deterings literaturwissenschaftliche Diskussion von zwei literarischen Werken und deren Autoren, die nicht gegensätzlicher sein könnten: Ruth Klügers 'weiter leben' und Wolfgang Koeppens vorgeblicher Roman Jakob Littners 'Aufzeichnungen aus einem Erdloch' (S. 51).
Ebenso deutlich arbeitet Axel Dunker die Authentisierungsstrategien in Art Spiegelmans Holocaust-Comic 'Maus' und deren Verknüpfung von Bild und Schrift heraus.
Dem schließt sich Dieter Lampings Untersuchung zu zeitgenössischen Photographien des Holocaust und deren Reflexion in der Literatur an. Er zeigt, wie die Literatur über die Geltungskraft von Photographien diskutiert und 'leistet damit eine poetische Medien-Kritik'. Des weiteren stellt er mit Hilfe von Johannes Bobrowskis Gedicht 'Bericht' die scheinbare Objektivität einer Photographie, dessen Perspektivierung und den damit verbundenen 'Wahrheitsanspruch' (S. 132) in Frage.
Lawrence Langer widmet sich ebenfalls dem authentisierenden Spannungsfeld zwischen einer photographischen Vorlage und deren Umsetzung in den Gemälden von Samuel Bak.
Schließlich soll hier auch noch auf den Aufsatz 'Authentizität und Schrift in den Holocaust-Mahnmalen von Jochen Gerz' des Herausgebers Matías Martínez hingewiesen werden, in dem sich der Autor mit vier verschiedenen  Arbeiten von Jochen Gerz kritisch auseinandersetzt.
Insgesamt ein gefährlicher Spagat, der trotz der unterschiedlichsten untersuchten Kunstrichtungen auf der Grundlage der Verwirklichung von Authentizität äußerst gelungen ist. Diese Untersuchung gibt dem Leser ungewöhnliche Einblicke in die teilweise an den Rändern der Holocaustforschung angesiedelten und unterschiedlich stark beachteten Kunstwerke. Wer also wissen will, wie unterschiedliche Künstler mit dem Thema Holocaust in ebenso unterschiedlichen künstlerischen Bereichen umgegangen sind, darf sich diesen äußerst kurzweiligen Band nicht entgehen lassen.