Internationale Instrumente zur Durchsetzung der Menschenrechte

 '[...]  human rights without effective implementation are shadows without substance.' Dieses der Göttinger Dissertation von Katrin Weschke vorangestellte Zitat erhellt schlaglichtartig das Problem der immanenten Diskrepanz zwischen Rechtsanspruch einerseits und Rechtswirklichkeit andererseits, das der koordinativen Rechtsordnung des Völkerrechts wie keiner anderen anhaftet und Kritiker gar am Rechtscharakter des Völkerrechts insgesamt zweifeln läßt. Daß derlei polemische Kritik für den überragend wichtigen Bereich des völkerrechtlichen Menschenrechtsschutzes nicht mehr haltbar ist, belegt die Autorin, indem sie die mannigfaltigen Instrumente zur Durchsetzung der Menschenrechte als Transmissionsriemen zur Verwirklichung des völkerrechtlichen (Menschen-)Rechtsanspruchs zusammenstellt.
Das (glücklicherweise) überaus breite Feld der völkerrechtlichen Instrumente zur Verwirklichung von Menschenrechten in einer noch überschaubaren Gesamtdarstellung zusammenzuführen, ohne die Analysedichte übermäßig zu reduzieren, erfordert eine geschickte Schwerpunktbildung. Weschke konzentriert sich auf die Durchsetzung gegenüber Staaten. Derzeit viel diskutierte Aspekte völkerrechtlicher strafrechtlicher Verantwortlichkeit Einzelner werden daher ebenso ausgeklammert wie 'positive Maßnahmen', die wie bspw. Entwicklungshilfe darauf abzielen, nachhaltig die tatsächlichen Bedingungen zur Verwirklichung von Menschenrechten zu schaffen. Beides sind wichtige Themen, ihre Auslassung erscheint indes angesichts des ohnehin umfangreichen Untersuchungsgegenstandes dringend angeraten.
Den Schwerpunkt ihrer Darstellung legt Weschke eindeutig auf die Instrumente, die außerhalb der einschlägigen Menschenrechtsverträge existieren, um den internationalen Menschenrechtsschutz zu verwirklichen. Die Instrumente der Durchsetzung in menschenrechtsschützenden Verträgen stehen hingegen zwar am Anfang der Ausarbeitung, werden aber sehr konzise dargestellt. So erfahren auch die wichtigen Berichtssysteme und die oftmals sehr effektiven individuellen Beschwerdeverfahren nur eine einführende Darstellung. Dieser erste Teil der Dissertation dient denn wohl auch eher der Abrundung ihres zentralen Untersuchungsgegenstandes, der nichtvertraglichen Durchsetzungsinstrumente.
Bevor sich die Autorin den Durchsetzungsinstrumenten zuwendet, behandelt sie die wichtige Vorfrage, welche rechtlichen Einwände einem völkerrechtlichen Versuch der Durchsetzung von Menschenrechten entgegenstehen könnten. Sie verwirft die klassische Doktrin, wonach Menschenrechtsfragen einer domaine réservé der Nationalstaaten angehören, diskutiert eingehend die kontroverse Frage, inwieweit menschenrechtliche Vertragssysteme sog. self contained régimes darstellen, in denen ein Rückgriff auf Instrumente des allgemeinen Völkerrechts wie z.B. die Repressalie ausgeschlossen sein könnte, und leitet her, daß bei Verletzung vertraglich garantierter Rechte die jeweiligen Vertragsstaaten, bei Verletzung von erga omnes Normen hingegen jeder Staat zur Durchsetzung aktiv legitimiert ist.
Die verbliebenen drei Viertel der Dissertation behandeln dann die einzelnen Durchsetzungsinstrumente, wobei je ein Kapitel Instrumenten außerhalb des Rahmens internationaler Organisationen, der Durchsetzung im innerstaatlichen Bereich sowie der Durchsetzung im Rahmen internationaler Organisationen gewidmet ist. Gefallen kann vor allem das Kapitel über die Durchsetzungsmöglichkeiten außerhalb internationaler Organisationen. Die ausführlichen Abschnitte über Repressalien und Humanitäre Intervention bieten als positiven Nebeneffekt zur Diskussion entsprechenden Gewohnheitsrechts einen Überblick über die einschlägige Staatenpraxis. Im Abschnitt über Konditionalität hätte hingegen deutlicher werden können, daß Menschenrechtsklauseln in Außenverträgen der EG nicht auf den Bereich der Entwicklungshilfe beschränkt sind. Leider fand hier auch nicht mehr die 1998 erschienene Dissertation von Hoffmeister zu Menschenrechts- und Demokratieklauseln in den vertraglichen Außenbeziehungen der EG Berücksichtigung, die der Darstellung interessante Impulse hätte verleihen können. Das Kapitel über die Durchsetzung im innerstaatlichen Bereich behandelt vor allem die Entwicklung des Rechts der Staatenimmunität, während das folgende Kapitel schließlich einen ' teilweise etwas gerafften ' Überblick über die Durchsetzung im Rahmen internationaler Organisationen wie der UNO, des ECOSOC der ILO, der OSZE und der EG gibt.
Die Autorin hat sich mit der Gesamtdarstellung Internationaler Instrumente zur Durchsetzung der Menschenrechte einer im Rahmen einer Dissertation kaum zu bewältigenden Aufgabe gestellt. Viele Leser/innen werden Aspekte entdecken, denen sie eine eingehendere Würdigung gewünscht hätten. Gleichzeitig hätte eine etwas engere Grenzziehung des Begriffs der Durchsetzung manchen Abschnitt wie vor allem denjenigen über das diplomatische Asyl (S. 199 ff.), aber auch den Abschnitt über die Achtung der Menschenrechte als 'Bedingung' für die Anerkennung als Staat (S. 187 ff.) und Teile des Kapitels über die Durchsetzung im innerstaatlichen Bereich (S. 212 ff.) entbehrlich gemacht und damit Raum für eine vertieftere Darstellung anderer Fragen geschaffen. Andererseits lassen sich derlei (subjektive) Einwände gegen nahezu alle Gesamtdarstellungen erheben. Weschkes Dissertation möchte man jedenfalls nicht missen, vermag sie doch gerade durch bewußte Beschränkung einen instruktiven Gesamtüberblick über eine wichtige Thematik zu geben. Bereits die schiere Vielfalt von Durchsetzungsinstrumenten wird manchen Leser überraschen und im besten Falle zu eigener vertiefender Forschung anregen, u.a. zu der wichtigen Frage, was getan werden kann und muß, damit viele der dargestellten Instrumente nicht ihrerseits 'Schatten ohne Substanz' bleiben.