Hat sich die einstmals enorme gesellschaftspolitische Wirkung des Gedankengebäudes von Karl Marx (1818-1883) erschöpft? Gilt die marxistische Gesellschaftstheorie, die mehr oder weniger Fundament aller realsozialistischen Gesellschaftssysteme und kommunistischen Parteidiktaturen in Mittel- und Osteuropa war, nach dem Zusammenbruch dieser Systeme in den Jahren 1989 bis 1991 nun als endgültig gescheitert? Konrad Löw, der sich seit langem mit allen Facetten des Werkes und des Lebens von Karl Marx kritisch auseinandersetzt, schätzt den Marxismus immer noch als aktuelle Herausforderung ein. Seines Erachtens trifft dieses auch deshalb zu, weil das Werk von Marx bis in die Gegenwart, eine seiner Meinung nach unverdiente Würdigung, selbst durch namhafte intellektuelle Repräsentanten des wiedervereinigten Deutschlands erfährt. Ob und inwieweit der Marxismus 'das Ergebnis nüchternen wissenschaftlichen Forschens [ist] oder [...] revolutionärer Sehnsucht [entspringt]', wird gemäß Löw oft ebenso verkannt wie das Wesen seines Schöpfers.
Folglich behandelt der erste Teil des vorliegenden Werkes 'Karl Marx, das unbekannte Wesen' unter ganz verschiedenen Gesichtspunkten. Neben Kommentierungen der biographischen Eckdaten von Karl Marx werden wesentliche Elemente des Marxschen Lehrgebäudes - wie das angebliche Entwicklungsgesetz der menschlichen Geschichte sowie die Lehre vom Mehrwert - dargestellt. Sodann wird der Frage nachgegangen, ob Humanismus das wirkliche Motiv der Marxschen Lehre war und wie sich deren Erfolg erklärt. Als zentraler Aspekt wird zudem untersucht, ob - nachdem der reale Kommunismus weltweit unzählige Menschenleben gekostet hat - Karl Marx als der bekannteste revolutionäre Vordenker des Kommunismus nunmehr für immer tot ist.
Der größere zweite Werkteil enthält ein Quellenlexikon des Marxismus, das vor allem auch markante Widersprüche im kolossalen Gesamtwerk von Karl Marx und Friedrich Engels (1820-1895) aufdeckt. Besonders als 'Quellenlexikon Marxismus' (Von A wie Amerika, Amerikaner bis Z wie Zwangsarbeit) kann es als Nachschlagewerk nützliche Dienste leisten und helfen, manche in der umfangreichen Marxliteratur immer wieder verwendeten Marxzitate mit einseitiger Aussage durch teils gegensätzliche Marx- und Engelszitate zu relativieren. Obwohl der Wissenschaftsbetrieb an deutschen Hochschulen sich derzeit nur noch vereinzelt mit Marxismus im Rahmen der Dogmengeschichte beschäftigt, ist nicht auszuschließen, daß sich in einer Art zyklischer Bewegung irgendwann wieder ein verstärktes Interesse an den Theorien und empirischen Irrlehren von Marx bemerkbar macht. Im Zuge der erst jetzt beginnenden Aufarbeitung der 68er Studentenrevolte in der Bundesrepublik Deutschland, die in ihrem harten Kern marxistisch geprägt war, wird mit Sicherheit eine erneute Rezeption der ursprünglichen Lehren des Marxismus stattfinden müssen.