Lexikon Programmusik
Stoffe und Motive

Programmusik ist Instrumentalmusik, die sich offen oder verdeckt auf ein begrifflich faßbares und vom Komponisten meist genanntes Sujet bezieht. Mit bewundernswerter bibliographischer Akribie hat Klaus Schneider in seinem Lexikon der Programmusik rund 12.000 solcher Werke unter 147 alphabetisch geordneten Stichwörtern von A wie 'Abend' bis Z wie 'Zypresse' zusammengetragen. Ein nach Komponisten und Stichwörtern aufgeschlüsseltes Register erlauben einen schnellen und gezielten Zugriff auf die einzelnen Einträge. Das Lexikon umfaßt nicht nur vollständige Werke vom 16. Jahrhundert bis zur Gegenwart, sondern auch Werkteile und Ausschnitte aus größeren Kompositionen, sofern diese charakteristische Momente aufweisen. Grundsätzlich wurden nur solche Werke aufgenommen, deren außermusikalischer Bezug durch entsprechende Hinweise ihrer Komponisten (Titel, Inhaltsangabe) verbürgt ist. Dennoch gibt es Ausnahmen, die damit zusammenhängen, daß sich in der Musikwissenschaft - im Gefolge der Arbeiten von Constantin Floros - eine 'Sujetforschung' etabliert hat, deren Ehrgeiz darin besteht, auch in solchen Werken geheime oder verschwiegene Programme zu orten, zu denen keine verbürgten programmatischen Bezüge vorliegen. Dabei werden die Grenzen zum Spekulativen bisweilen deutlich überschritten. So ist es erstaunlich, daß man beispielsweise unter dem Stichwort 'Tier' das Erste Brandenburgische Konzert von Johann Sebastian Bach (S. 291) nur deswegen findet, weil Peter Schleuning den drei Sätzen eine höchst anfechtbare Deutung unterlegt hat, die im übrigen für das Verständnis dieser Komposition unerheblich ist. Ähnliches gilt auch für Beethovens Streichquartett op. 59.1, das trotz des abstrusen hermeneutischen Interpretationsversuchs, den Arnold Schering 1936 vorlegte, weiterhin ein Stück absoluter Musik bleibt. Problematisch an der Werkauswahl dieses Lexikons ist überhaupt, daß der Begriff 'Programmusik' im Grunde zu weit gefaßt ist: Beethovens Geistertrio (S. 291), Schumanns Charakterstücke, Debussys Préludes oder gar Bachs Choral Alle müssen sterben (BMV 643) sind sicher keine Programmusik im engeren Sinne. Immerhin scheint der Untertitel des Lexikons 'Stoffe und Motive' diesen Einwand zu reflektieren.
Trotz dieser Kritik: Das Buch ist verdienstvoll. Es wird sich als nützliches, professionelles und interdisziplinär taugliches Hilfsmittel bewähren für alle, die in den Bereichen von Lehre, Forschung, Musikvermittlung und -ausübung beschäftigt sind.