Es ist ein aggressives, ein engagiertes, ein aufklärendes, summa summarum ein höchst lesenswertes Buch. Weissweilers Ziel ist es, nicht nur beschreibende Biographien und Werkverzeichnisse von Komponistinnen verschiedenster Epoche geschrieben zu haben, sondern auch - und gerade eben - diese Frauen aus der Isolation der Forschung herauszuholen. Liest man dazu das Vorwort, so muß man zuerst fürchten, die Autorin habe sich hier einen bislang vernachlässigten Forschungsgegenstand zu eigen gemacht, um die 'Überlegenheit der Frauen gegenüber den aufgeblasenen, frechen und darum rettungslos verlorenen männlichen Dummköpfen' (S. 41) zu propagieren. Doch dieser erste, flüchtige Eindruck täuscht. Ein flüssiger und präziser Schreibstil vermittelt ihre fundierte Kenntnis, die zum einen aus einer ausführlichen Rezeption der zugänglichen Literatur stammt, zum anderen aus eigenen Forschungen und Recherchen. Dabei ist sie herbe Kritikerin hauptsächlich an der männerdominierten Musikwissenschaft, aber stets in ihrer Argumentation sachlich überzeugend und situations- sowie zeitbezogen differenzierend. Einem roten Faden gleich durchläuft ihre Grundthese den Band, gerade 'am Beispiel des deutschsprachigen Raumes' werde klar, 'daß zwischen der frauen- und musik-feindlichen Haltung des Klerus und dem Abnehmen weiblicher Kompositionsfreudigkeit ein offensichtlicher Kausalzusammenhang bestand' (S. 49). Mulier taceat in ecclesia ist das Schlagwort hierfür, welches Frauen zuerst aus der liturgischen Musik, letztlich für Jahrhunderte aus der Kompositionskunst ausschließen wird. Den Widerständlerinnen widmet sich dieses Buch.
Ein kurzes Vorspiel zur Antike leitet in ihre Darstellung ein, die chronologisch aufgebaut zum Mittelalter weiterführt. Nächste Stationen sind die Monodie des italienischen Frühbarocks, der Hof Ludwigs XIV., die Zeit Friedrich des Großen, die Berliner Liederschule des 18. Jahrhunderts, die frühe Goethezeit, die Wiener Klassik, das 19. Jahrhundert, der Beginn der Moderne, der Impressionismus und die Neue Musik. Die Gegenwart (Stand: 1981) ist Endpunkt ihrer musikgeschichtlichen Expedition, die zusätzlich mit zeitgenössischen Bildern und Porträts die besprochenen Komponistinnen vor Augen führt. Die Stärken des Buches sind zum einen der konsequente Aufbau der einzelnen Abschnitte, die jeweils Lebensdaten und -umstände, Werkverzeichnis und Musikbeispiele, ggf. Nachrufe und Kritiken zu insgesamt mehr als zwei Dutzend Frauen enthalten; zum anderen die Stringenz der Texte und die zahlreichen Verweise auf Desiderata bezüglich weiblicher Kompositionskunst. Zum Lesen empfiehlt sich eine musikalische Vorbildung, um Weissweilers Argumenten und Vergleichen anhand der Notenbeispiele folgen zu können.
Zu bemängeln ist die redaktionelle Ebene: So ist etwa alle 30 Seiten mit Druckfehlern zu rechnen (besonders häufig bei Zitationen, besonders auffällig etwa bei 'Tier[sic!]furter Park' nahe Weimar), und frühestens mit Seite 76, spätestens mit Seite 355 bemerkt man, daß die Münchener 'Originalausgabe' eben doch nur eine Überarbeitung eines 20 Jahre alten, ehemals Frankfurter Druckes ist, dem leider fast jede textliche Aktualisierung abgeht. Dem Psychologen Neumann und dem Musikhistoriker Wegner als Gewährsleute für den kulturhistorischen Überblick 'Antike bis Mittelalter' hätte Weissweiler Wissenschaftler aus der neueren Altertumsforschung an die Seite stellen sollen, die geholfen hätten, die Rolle von Musikerinnen zu präzisieren. Schade, daß ein Blick in die Alten Reiche des Orients und Ägyptens gänzlich fehlt, denn musizierende und singende Frauen sind dort bildlich wie textlich über Jahrtausende präsent.
Die Lektüre von Weissweilers Buch ist anregend und sehr kurzweilig, das Thema äußerst interessant aufgearbeitet und informativ gestaltet - und sie macht Lust darauf, sich Werke der hier vorgestellten Komponistinnen unbedingt anzuhören.