The Lost Tomb hieß die Originalausgabe des nun in deutscher Übersetzung einer großen Öffentlichkeit zugänglich gemachten Taschenbuchs. Es erzählt die sensationelle Geschichte der Wiederentdeckung eines Grabes, das bereits 1825 von dem Briten James Burton gefunden wurde und dann wieder in Vergessenheit geraten ist. Dem Amerikaner Kent Weeks ist es zu verdanken, daß das Grab K(ings)V(alley) (Nr.) 5 im Tal der Könige, beim heutigen Luxor, erneut in den Blickpunkt der Wissenschaft gerückt ist. Die in Burtons Zeit nur im vorderen Bereich untersuchte Anlage erwies sich als eine der spektakulärsten Funde des 20. Jahrhunderts. So nimmt es denn auch nicht Wunder, daß Weeks selbst Vergleiche zur Entdeckung des Tutanchamun-Grabes durch Howard Carter im Jahre 1922 zieht. Auch wenn der neue Fund - zumindest bis zum jetzigen Zeitpunkt - nicht wie der des Kindkönigs mit einer Unzahl an goldenen Beigaben aufwarten kann, ist er doch nicht minder interessant. Es stellte sich nämlich im Laufe der Arbeiten heraus, daß es sich bei KV5 um die Grablege der Söhne des Pharaos Ramses' II. handelt, der für die große Anzahl seiner Kinder legendär ist. Die Anlage ist mit mehr als 100 Kammern das größte bisher bekannte Grab Ägyptens. Vermutlich ursprünglich in der späten 18. Dynastie begonnen, wurde es in der 19. Dynastie während vier nachzuweisender Bauphasen erweitert, um die Mumien der Königssöhne aufzunehmen. Von den Bestattungen der Prinzen selbst ist bisher nicht viel gefunden worden.
Der Autor will mit seinem Werk keine 'fachliche Abhandlung' vorlegen, sondern einen 'persönlichen Bericht', der den Leser an der aufregenden und mühevollen Arbeit eines Ägyptologen teilhaben läßt, was ihm im besonderen Maße gelungen ist. Das Buch weist so viele Facetten auf, die sich unmöglich alle in einer kurzen Besprechung aufzeigen lassen. Von den früheren Untersuchungen des Tals der Könige bis hin zum neuen Projekt der Kartierung von ganz Theben ist die Rede und von den Methoden, die bei der Freilegung eines Grabes angewendet werden müssen. Geschichtliche Informationen vermitteln das nötige Hintergrundwissen und werden verständlich präsentiert. Wer selbst schon in Ägypten gearbeitet hat, verliebt sich besonders in die kleinen Geschichten, die sich rund um die eigentliche archäologische Arbeit ranken und die das heutige Ägypten und die Mentalität seiner Bewohner so lebendig widerspiegeln wie z. B. die Erfahrungen, die Weeks beim Anfertigen von Luftaufnahmen machen mußte. Doch auch der Gänsehaut bereitende Augenzeugenbericht des Anschlages im benachbarten Totentempel der Königin Hatschepsut in Deir el-Bahari hinterläßt einen bleibenden Eindruck.
Dem Leser wird es bei der Lektüre dieses Buches nie langweilig, auch wenn er zwischendurch etwas irritiert ist über die Art, wie Weeks von einem Thema zum nächsten springt. Das Werk ist reich bebildert und für die Fachleute mit einigen Fußnoten versehen. Einziges Manko: Auf die jeweils besprochenen Grabräume wird mit ihren Nummern verwiesen, doch wer diese auf den beigegebenen Plänen sucht, läuft ins Leere und muß sich seine Informationen an anderer Stelle besorgen (z. B. auf der empfehlenswerten Homepage der Grabung unter http://www.kv5.de). Da die Arbeiten im 'Totenhaus der Söhne' weiter gehen werden, darf man sich schon auf den nächsten spannenden Bericht freuen, der sich hoffentlich ebenso mühelos wie ein Roman lesen lassen wird wie das vorliegende Buch, das ein absolutes Muß für jeden Ägypten-Interessierten darstellt.