Wer hat nicht schon ein altägyptisches Denkmal gesehen und sich über die geheimnisvollen Schriftzeichen, Hieroglyphen genannt, gewundert, die darauf zu finden sind und deren Sinn sich den Wenigsten erschließt? In vielen Köpfen existiert immer noch die Vorstellung, daß das Ägyptische eine Bilderschrift ist und häufig wird man mit der Frage konfrontiert: 'Hat diese Sprache überhaupt eine Grammatik?'. Sie hat. Und daß es sich nicht um eine Geheimschrift handelt, sondern um eine Sprache, die tatsächlich erlernbar ist, das beweisen Mark Collier und Bill Manley mit diesem Buch, mit dem sie allen Wißbegierigen die wichtigsten Werkzeuge zur Lesung der so geheimnisvoll anmutenden Schrift einer faszinierenden Kultur in die Hand geben.
Das Werk ist in acht Kapitel untergliedert, die jeweils mit einer kurzen Beschreibung des Lerninhalts beginnen. In jedem Kapitel werden einzelne grammatikalische Phänomene und bestimmte Wortgruppen vorgestellt, die man in dem anschließenden praktischen Teil üben darf. Zusätzlich gibt es Exkurse zu einzelnen Themen wie Herrscherdynastien, Totengötter, Beamte (Namen, Verwandtschaftsbezeichnungen, Titel) und dem Osiriskult in Abydos.
Das erste Kapitel erklärt verständlich, daß die ägyptische Schrift eine Konsonantenschrift ist, wie wir sie mit unseren Buchstaben umschreiben und natürlich auch wie wir sie lesen können. Über Kapitel 1 und 2 verteilt werden die wichtigsten Hieroglyphen vorgestellt. Kapitel 3 führt in den Themenkreis der privaten Totenkultstelen des Mittleren Reiches ein, die die Autoren in den Mittelpunkt ihres Lehrbuchs gestellt haben. Nach den ersten praktischen Übungen spielt die Grammatik der Texte dann ab Kapitel 4 eine größere Rolle und wird dem Leser Stück für Stück nahe gebracht. Ab Seite 126 folgen zum Nachschlagen die Hilfsmittel, die für den Gebrauch des Buches und für die darüber hinaus gehende Beschäftigung mit der ägyptischen Sprache unverzichtbar sind. Dies sind zunächst Zeichenlisten in verschiedenen Zusammenstellungen, gefolgt von einer kurz gefaßten Grammatik in Tabellenform, einem ägyptisch-deutschem Wörterverzeichnis, den Lösungen zu den Übungen, einem auf das deutsche Publikum zugeschnittenen und kommentierten Verzeichnis mit weiterführender Literatur und einem kurzen Index.
Seit wenigen Jahren boomt der Markt für Hieroglyphen-Bücher, die sich an den interessierten Laien wenden. Doch dieses Werk ist bei weitem das beste, das zur Zeit zu haben ist. Den Autoren kommt merklich zugute, daß sie aus jahrelanger Erfahrungen schöpfen können, die sie in ihren Hieroglyphen-Kursen gesammelt haben. Es gelingt ihnen, den Leser auf eine erfrischende Weise persönlich anzusprechen, aufmunternde Worte zu finden und ihm seine Fortschritte vor Augen zu führen. Der Stoff wird Stück für Stück vermittelt und durch die zahlreichen Bilder angenehm aufgelockert. Außerdem gibt es zur besseren Einprägung viele Wiederholungen und nützliche Verweise nach vorne und hinten. Da die Autoren selbst Ägyptologen sind, wird dem Leser zudem der neueste Forschungsstand geboten, aber auch veranschaulicht, daß die Wissenschaft noch nicht alle Probleme gelöst hat. Obwohl das Buch durch die Wahl der Denkmäler in erster Linie auf Besucher des British Museum in London ausgerichtet ist, läßt sich das gewonnene Wissen dank der stereotypen Inschriften überall mit Erfolg anbringen.
An dieser Stelle sei es trotz des großen Lobes erlaubt, auf ein paar Fehler hinzuweisen. Auf Seite 60 im Wortschatz lies 3m(w)-n<r; auf Seite 68 und 94 bei BM EA 101 streiche in der Übersetzung 'allen'; auf Seite 120 muß das Ende der Zeile 9 von der Stele des Amenemhet noch grau unterlegt sein; bei der Transkription derselben Stele auf Seite 172 lies in Zeile 3 cnx; auf der gleichen Seite, zweiter Absatz, dritte Zeile lies: 'die Großen von Djedu'; Seite 173 unter 'Familienangehörige', Zeile 2, lies: rc nb.
Fazit: Ein gelungenes Lehrbuch, das zum Selbststudium geeignet ist und auch noch Spaß macht.