Gesamtansicht Rezensionen

Mit zentraler Peilung auf die beiden Werften in Gdynia (Polen) und Pula (Kroatien) birgt die aus einem Forschungsprojekt (2016-2021) hervorgegangene, wahrhaft dichte Faktenpräsentation des erklärten ‚Werftenkollektivs‘ Erkenntnisse, die es, dem Team nach, aufgrund der Lage von Archivbeständen, Quellenverfügbarkeit aus Interviews, aktueller politischer Rahmenbedingungen gerade eben noch zu bergen galt: dergestalt ein „Zeitdokument“ (S. 71). Das Globale so detailreich „im Lokalen zu suchen“ (S. 62), veranlasst „empirische Tiefenbohrungen“ (S. 63). Hervorgehen sollen daraus „die Veränderungen in den Sinnwelten sozialer Gruppen“ (S. 23), jene „‚Transformations from Below‘“ im Zuge weltumspannender Transformationen (S. 23). …

Mit dem 58. Materialheft zur Ur- und Frühgeschichte Niedersachsens werden die Forschungsergebnisse der mehrjährigen Grabungen in der Lichtensteinhöhle bei Osterode am Harz vorgestellt. Die umfangreichen Funde, vor allem darunter mehr als 4.000 Menschenknochen, die zahlreichen technischen Untersuchungen und das erläuternde Kartenmaterial haben eine dreibändige Zusammenstellung nötig gemacht. Auf mehr als 700 Seiten stellt Stefan Flindt die Lage der Fundstelle und das archäologische Umfeld dar (S. 17-22), geht auf die Entdeckungsgeschichte ein und stellt die verschiedenen Befunde, die zusammen mit Jens Lehmann ergraben wurden (S. 46-344, 344-518), und deren Auswertung vor (S. 616-665). Als mehr oder weniger eigenständiger Teil schließt dies den unter Mitarbeit von Susanne Hummel und Marthe Frischalowski entstandenen Exkurs zu den Menschenknochen ein (S. 518-616). Der zweite Teilband versammelt auf weiteren 200 Seiten Listen, den Fundkatalog mit Beschreibungen aller Objekte und zahlreichen Umzeichnungen sowie Tafeln. In einem Schuber, als dritter Teilband konzipiert, sind großformatige Karten beigegeben. …

Dass es im Vergleich zu altägyptischen Kultplätzen wie Karnak, Edfu, Dendera oder Abydos zu Heliopolis nur wenige allgemeine Darstellungen gibt, liegt vor allem an dem schlechten Erhaltungszustand der Tempelanlage, die bereits seit der Antike zur Steingewinnung (S. 331) abgetragen wurde.
Von dem wohl größten Tempelbau Ägyptens hat sich im heutigen Stadtbild am Rande Kairos denkbar wenig erhalten; …

Zur jüdischen Geschichte in ganz Deutschland existieren eine ganze Reihe hervorragender Überblicksdarstellungen, aber bei den Darstellungen jüdischer Geschichte in einzelnen Regionen sind zahlreiche Lücken zu konstatieren. Der nun vorliegende Sammelband zur Jüdischen Geschichte kann diese Lücke für Thüringen zumindest zum Teil schließen. Er geht auf eine Tagung im Jahr 2021 zurück, ist in vier Kapitel vom Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert aufgeteilt, und umfasst 23 Beiträge, deren zeitlicher Schwerpunkt im 19. und 20. Jahrhundert liegt.
Jüdisches Leben im Mittelalter ist durch drei Beiträge repräsentiert. Sie behandeln die Verfolgung und Vertreibung der jüdischen Bevölkerung seit dem 14. Jahrhundert und die Auswertung von Grabungen auf dem Erfurter Friedhof. …

Die Studien zur Predigt und Theologie des Bremer Pfarrers Gottfried Menken von Heinrich A. Meyer-Reichenau zielen auf eine erstmals breite Auseinandersetzung mit ihrem Protagonisten, bei der dessen theologische Prägungen, dessen Positionierung gegen die Aufklärung sowie dessen biblizistische Schriftauffassung und deren heilsgeschichtliches Verständnis im Zentrum stehen sollen. Daneben interessieren den Verfasser Menkens Rezeptions- und Wirkungsgeschichte, sein Einfluss auf die Theologie des 19. Jahrhunderts sowie die bleibende Aktualität einiger von ihm adressierten Fragestellungen. …

Wer die eigene Existenz auf das Schreiben setzt, muß bedacht sein, „dessen Möglichkeiten bis auf den Grund auszuschöpfen“, schreibt Roland Berbig in seiner Untersuchung über die Briefschreiberin Ingeborg Bachmann (im Band „Ingeborg Bachmann. Eine Hommage“). „Eine dieser Möglichkeiten ist der Brief.“ Daß dessen Ausdrucksweise grenzenlos ist und unergründlich in die Tiefe, in die er zu verweisen vermag, wußte Ingeborg Bachmann.
Am 2. September 1959 schreibt sie ihrem Freund Hans Magnus Enzensberger: „ (…) anstatt den Brief wegzuschicken, habe ich ihn immerzu aufgehoben, um noch etwas dazuzuschreiben./ …

Hierzulande zählt Rachel Auerbach zu den immer noch weitgehend unbekannten Frauen und Männern, die als Jüdinnen und Juden von den Nationalsozialisten verfolgt wurden und sich zeitlebens darum bemüht haben, jüdische Stimmen hörbar zu machen, um einer täterzentrierten Sichtweise nicht allein das Feld zu überlassen. Damit begann Auerbach, wie viele andere auch, bereits während des Holocaust, obwohl sie selbst unter den Verfolgungsmaßnahmen zu leiden hatte, obwohl sie hungerte und obwohl ihr eigenes Überleben ungewiss und jeden Tag aufs Neue bedroht war. …

Die von Eberhard Fritz verantwortete Quellensammlung zum „Dreißigjährigen Krieg in Südwestdeutschland“ ergänzt die insgesamt gut bestellte Editionslandschaft zu diesem Thema auf etwas unkonventionelle Art und Weise. …

Die Literatur über den Holocaust und die nationalsozialistischen Massenverbrechen ist, so wird fast schon seit Jahrzehnten festgestellt, selbst für Spezialisten kaum mehr zu überblicken. Auch die Zahl der Synthesen steigt stetig an und hat bereits eine stattliche Zahl erreicht, zu der auch der Autor des hier zu besprechenden Bandes schon früher beigetragen hat. Das neueste Buch von Dieter Pohl, Professor für Zeitgeschichte an der Universität Klagenfurt und ausgewiesener Experte für den Holocaust, reiht sich hier ein und weist doch einige Besonderheiten auf. …

Ohne Lesezeichenband enthält das voluminöse Werk wahrhaft ein Dickicht dessen, was mittlerweile dem Fach Zeitgeschichte (Sigle ZG) zugewachsen. Ausgewählte Aspekte wie der des Wandels der Dispositive (1), des Personals (2), der Fachdisziplinen mit ihren Themen (3) und der Austrozentrik (4) sollen systematisierte Schneisen bilden. Allem voran (1) ist es die schwindelerregende Abfolge von „Turns“ („cultural“, „visual“, „memorial“ u.a.), welche die ZG in Zugzwang brachten. Ebenso Zugzwänge unter internationalem politischen Druck zugunsten einer sozialmoralischen Rehabilitation (Restitution von Raubgut in der NS-Zeit) in den 90er-Jahren. …