Gesamtansicht Rezensionen

Er war ein bedeutender Maler und sie eine noch bedeutendere Dichterin. Ihre Liebe hat das Werk beider entscheidend geprägt; für beide war die Liebesbegegnung eine biographische Zäsur. Die Korrespondenz zwischen Werner Berg und Christine Lavant ist der einzige Briefwechsel der Dichterin, der nahezu vollständig erhalten geblieben ist – wohl von ersten Briefen Bergs abgesehen, die die Dichterin aus Angst vor dem Ehemann (den sie 1939, wohl um Schutz zu finden, geheiratet hatte), vernichtete – von viele anderen Korrespondenzen ist etliches verloren – nicht nur aus persönlichen Gründen, sondern auch, weil im winzigen Dachzimmer, das die Dichterin mit dem Ehemann, dem 34 Jahre älteren Maler Josef B. Habernig (in der Korrespondenz mit Werner Berg nur H. H. oder H. Hab. oder Habernig abgekürzt), teilen musste, kein Platz war für ein sorgfältig geführtes Archiv. …

Über Jahrzehnte hinweg waren die Verbrechen der deutschen Wehrmacht und Besatzer gegen die Zivilbevölkerung in Ostmitteleuropa kein Thema der Forschung, geschweige denn Gegenstand von Erinnerung und Gedenken. Beides musste in diesem Themenfeld mühsam und gegen erhebliche politische und gesellschaftliche Widerstände erkämpft werden. Und auch hier kamen wie schon in der Erforschung der Euthanasie-Verbrechen die entscheidenden Impulse von außerhalb der institutionalisierten Geschichtswissenschaft. …

Das von der Thüringer Landeszentrale für politische Bildung herausgegebene Buch von Rainer Borsdorf liefert einen knappen und informativen Überblick über die Geschichte jüdischen Lebens in Thüringen von 1871 bis 1990. Darin verknüpft der Autor die allgemeine Entwicklung jüdischen Lebens in ganz Deutschland eng mit der Geschichte in Thüringen.
Borsdorf widmet sich einem sehr breiten Themenspektrum. Er behandelt nicht nur die in solchen Überblicksdarstellungen üblichen Themen wie Emanzipation, Antisemitismus und Shoah, sondern auch sonst eher selten ausgeführte Themenbereiche wie das Alltagsleben und kulturelle Aktivitäten in jüdischen Gemeinden. …

Thomas Mann sprach von einem „wüste(n), traurige(n) und ungeheuer ominöse(n) Jux – auf dem Scheiterhaufen qualmte die Weltliteratur“: Am 10. Mai 1933 wurde in Berlin die offizielle Bücherverbrennung inszeniert. Vertreter der NS-Studentenschaft warfen „schädliches und unerwünschtes Schrifttum“ ins Feuer; mehrere hundert Autoren kamen auf den Index. An diesem Tag strich Adolf Hitler eine ganze Generation von Schriftsteller/INNEN aus dem Bewusstsein des deutschen Volkes. Als „entartete Kunst“ oder „Asphaltliteratur“ wurden die Bücher fast aller deutschsprachigen Autoren von Rang den Flammen übergeben. …

Einleitend stellt Joachim Krüger in seiner Studie fest, dass der Große Nordische Krieg „ein Stiefkind der modernen historischen Forschung“ (S. 12) sei. Trotz seines Zäsurcharakters für den nord- und osteuropäischen Raum und trotz der lange nachwirkenden territorialen Neugliederung auch im Norden Deutschlands ist dieser große europäische Krieg vergleichsweise wenig präsent. Es ist Joachim Krügers erklärtes Ziel, mit seiner Darstellung von der ‚klassischen‘ Erzählung des Großen Nordischen Krieges mit den Mächten Schweden und Russland im Fokus und von der Gewichtung der schwedischen Niederlage von Poltawa als dem großen Wendepunkt des gesamten Krieges abzurücken. …

Dem Ort, „wo [im 8. Jahrhundert; P.R.K.] fester Boden von beiden Seiten bis zum unmittelbaren Flussufer reicht“ (S. 9), und deshalb eine Festung, als Verkehrsnotenpunkt, zu errichten empfahl, widmen sich zwei aktuell ortsansässige universitäre Historiker. Wohl einem breiten Publikum zugedacht, etwa illustriert mit Stadtplänen, Fotos von Gegenüberstellungen eines Zustands einst und heute, Zitaten aus historischen Quellen, basierend auf Forschungsergebnissen, werden die chronologisch geordneten Hintergründe unterbreitet. Als eine Art Reiseführer rollen für die Leserschaft die Aufbrüche, Abbrüche, Wiederaufnahmen ab, die Vergangenheitsfolien von mittlerweile unsichtbaren, nur noch in Fragmenten oder Restituierungen erhaltenen Zeugnissen. …

Nachdem „die größte Fluchtbewegung aus dem ehemaligen Jugoslawien nach Österreich“ (S. 205) dazu führte, dass „Migrant*innen vom Balkan das Wiener Stadtbild [prägen]“ (S. 319), Berechnungen zufolge sind dies „über 10 Prozent“ der Bewohnerschaft (S. 227), wird verständlich, weshalb mit diesem Sammelband die Dimensionen und Sphären des Südslawischen in die Stadtgeschichtsforschung Wiens miteinbegriffen werden sollen. Aus dieser zeitgeschichtlichen Brisanz heraus, viele Menschen der genannten Gruppe bezeichnen sich, nach Kriegshandlungen, als in der „Diaspora“ (S. 169) befindlich, werden hier mithilfe diverser Zugänge von unterschiedlichen Fachrichtungen die Artikulationsweisen des Südslawischen untersucht. …

Künstler/INNEN bestimmen die moralische Qualität einer Gesellschaft. Dafür benötigen sie das Interesse einer möglichst breiten Öffentlichkeit – ein komplexer Vorgang gegenseitiger Durchdringung, der Zeit braucht. Unsere Gesellschaft aber will sich Kunst nur „leisten“, wenn unmittelbarer Erfolg sichtbar wird. Themen, Darstellungsarten werden zu einem „Hype“, dem, sobald das Publikum „gesättigt“ ist, ein neuer folgt usw. Das Kulturkarussell dreht sich also immer schneller; Verlage, Galeristen, Kulturinstitute und nicht zuletzt die Medien werden zu ihren eigenen Antreibern. Kunst wird „Unterhaltung“ – was sie aber gerade nicht ist. …

Naheliegend, dass ein Tagungsband im Auftrag der Diplomatie eher dramatische Zeitetappen wählt, beginnend mit dem Ersten Weltkrieg, als es die beiden Staaten noch gar nicht gab. Vielfach zum ersten und auch schon zum letzten Mal lernten da die Soldaten der k.u.k.Armee die Dimensionen ihres Staates, die landschaftlichen und volkskulturellen Besonderheiten seines Ostens kennen; während Flüchtlinge, aus der Kampfzone Galizien evakuiert, Bekanntschaft mit Menschen und Gebiet des heutigen Österreich machten, und schließlich sich vornehmlich von dort wieder in die Herkunftsregion verabschiedeten. …

Im Duktus gelassen, formal um allgemeine Verständlichkeit bemüht, fährt der Autor mit seiner ausgewählten Zusammenstellung einen argumentativ konzisen Kurs, mit dem Ziel, den einem Rufschaden unterliegenden Wert des Verzichts zu revidieren, gleichsam eine erneuerte Inthronisation diverser Verzichtsleistungen. Er fungiert dabei merklich als einer der meint, nicht jedoch mahnt; er will einleuchten, nicht schelten, drohen, predigen und ganz eigens ist er ‚wider Panikmache‘. Diskutiert, durchgespielt, überprüft wird der „Sinn der Selbstbeschränkung und ihre Bedeutung unter den heutigen Lebensbedingungen“ …