Gesamtansicht Rezensionen
Die Komplexität von Interessens- und Konfliktlagen erklärt die bislang nicht „tiefgreifende[n] Untersuchungen“ (S. 13) zu vorliegendem Thema, umrissen in der Einführung (M. Giuotto): Italien steht als Siegerstaat dem Verlierer Österreich nach einem „grundsätzlich antiösterreichische[n]Krieg“ (S. 19) gegenüber; Österreich ist von den Signatarmächten der Friedensverträge „als Stütze des schwachen europäischen Gleichgewichts, insbesondere zur Eindämmung Deutschlands“ (S. 29) gedacht; eine Schaukelpolitik Italiens hatte bereits gegenüber dem Habsburgischen Österreich Tradition (vgl. S. 17); Italien mit Aspirationen einer Großmacht sieht Österreich als „Zugangstor für Expansionspolitik“ (S. 24). …
Sichtweisen von Landschaften des 19. und 20. Jahrhunderts im Österreich der heutigen Grenzen, welche „Träume und Ängste“ sie hervorrufen, Erfahrungen sie „erzählen“ und welche „Bedeutungen Landschaften haben für die Identitätsbildung“ werden hier unterbreitet; stets unter analytischer Beachtung der „reale[n] Landschaft als Auslöser“ (S. 275). Dazu verwendet der Verfasser (fast) ein Sammelsurium von Quellen: Statistik, Belletristik, bildender Kunst, Filmen, Liedern, Märchen, Propagandaschriften, Ego-Dokumenten und anderen mehr; zudem die ihm passenden „Theorieelemente“ (S. 13), ohne sich dabei in extensiver Weise aufzuhalten. …
Gesamtdarstellungen des Dreißigjährigen Krieges liegen inzwischen in mindestens sieben Sprachen vor, u.a. auch auf Finnisch und Russisch. Lokale Arbeiten des Titeltyps „A-heim“, „B-Stadt“ im Dreißigjährigen Krieg gibt es allein in deutscher Sprache schon mehr als 500. Und über die meisten großen Truppenführer gibt es eigenständige Biographien – die über Gustav Adolf und Wallenstein füllen ein Regal.
Nun ist auch den bayrischen Kriegskommissaren, vergleichsweise kleinen Stößeln im großen Kriegsmotor, eine tiefschürfende Dissertation gewidmet worden. …
Anno Domini 2020 war es in der Tat hohe Zeit, eine Regionalgeschichte des 30-jährigen Krieges und seiner Folgen für Brandenburg zusammenzustellen. Viele Regionen waren vorangegangen, mal animiert von Jubiläen des Westfälischen, 1650 in Nürnberg vollendeten Friedens (so Bayern und Mecklenburg 1848, Osnabrück und Westfalen 1998) mal zur Erinnerung an Belagerungen, Eroberungen und Schlachten (so in Franken besonders die Region Mittelfranken um Nürnberg 1782, 1832, 1932 und 1982, aber auch Mainfranken mit Königshofen, Schweinfurt, Würzburg und Wertheim 1931). …
Verstehen und Interpretieren sind Begriffe, mit denen jede/-r Wissenschaftler/-in täglich umgeht. In den wenigsten Fällen wird hinterfragt, was ihnen eigentlich zugrunde liegt und welche Beziehung sie zueinander haben. Der Sammelband „Verstehen und Interpretieren. Zum Basisvokabular von Hermeneutik und Interpretationslehre“ geht dieser Frage nach. Er bildet den Anfang der Reihe „Hermeneutik und Interpretationstheorie“. Diese Reihe hat es sich zur Aufgabe gemacht, wissenschaftliche Monographien und Tagungsbände in diesen Gebieten zu publizieren, um so die Gelegenheit zu einem interdisziplinären Austausch zu geben. Vor allem die Jahrestagungen des „Netzwerkes Hermeneutik und Interpretationstheorie (NHI)“, welches vom Institut für Hermeneutik und Religionsphilosophie der Theologischen Fakultät in Zürich koordiniert wird …
Die Bewertung der lebenden Päpste (S. 51-69) erfolgt wohlwollend milde, spart Kritik jedoch nicht aus. Franziskus, der „so viele Personen aus dem Vatikan wirft, die von Benedikt geholt worden sind“ (S. 52), wird gleichsam kritisch beleuchtet wie der eurozentrische Führungsstil des Ratzinger-Papstes, dessen Pontifikat „etwas zunehmend Irreales angenommen“ hatte (S. 54).
Die Profile Joas und Spaemann machen den Band lesenswert: Spaemann, der Wortführern der 68er einst zurief, es wäre ihm lieber „ihr würdet heute Abend erschossen“ (S. 49), spricht melancholisch-resigniert viel über Glaubensverlust – Joas, stets zum Widerspruch neigend, unter anderem über die kirchliche „Haltung zur nationalen Frage, zur sozialen Frage und zur demokratischen Frage“ (S. 31). …
Dr. Zishan Ghaffar promovierte am Zentrum für Islamische Theologie der Wilhelms-Universität Münster und ist seit 2017 Wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Akademievorhaben Corpus Coranicum der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehört explizit die historisch-kritische Koranexegese und daher verwundert es kaum, dass, nach seiner ersten Monografie zum historischen Muhammad in der islamischen Theologie, Ghaffar ein stark methodisch orientiertes Buch zu den Verhältnissen und dem Bezugsrahmen des Koran präsentiert. …
Dem Thema von Michael Kröcherts aktuellem Buch Autobahn. Ein Jahr zwischen Mythos und Alptraum kann man kaum ausweichen; rund 40 Millionen Fahrer von Kraftfahrzeugen gibt es nach Auskunft des Kraftfahrt-Bundesamtes im Jahr 2019, die sich auf mehr als 47 Millionen Fahrzeuge verteilen. Kaum einer dürfte darunter sein, der nicht schon einmal die blau-weiß beschilderte Schnellstraße genutzt hat.
Während diese Kurzanzeige entstand war auch der Rezensent mit seiner Familie unterwegs auf der Autobahn – bei Kassel-Nord war die Gegenfahrbahn wegen eines Unfalls mit zwei LKW und einem Kleintransporter gesperrt. Ein Rettungshubschrauber auf dem Standstreifen deutete die Tragik des Geschehens an. …
Archäologie lässt sich einfach als die Beschäftigung mit Dingen beschreiben, die uns Menschen früherer Zeiten hinterlassen haben. Dass diese Definition bei weitem zu kurz greift, stellt Kurt Wallat auf 100 Seiten in seinem „Archäologie“-Band richtig. Es ist ein Buch aus der Praxis heraus konzipiert, mit vielen anschaulichen Beispielen und in einem sehr gut zu lesenden, teilweise plauderhaft anmutenden Duktus geschrieben. Der Autor ist als Ausgräber in Pompeji (der Ort, auf den er wiederkehrend eingeht) mit der Feldarbeit bestens vertraut, und seine editorischen Tätigkeiten lassen ihn den richtigen Ton treffen, seinen Kenntnisreichtum für ein interessiertes Publikum adäquat zu vermitteln. …
Die Zahl an Meisterwerken der bildenden Kunst, die antike Themen zum Vorbild haben und sie zeitgenössisch verarbeiten, sind weit mehr als die hundert, welche Lars Olof Larsson in dem Reclam-premium-Band Antike Mythen in der Kunst vorstellt. Dennoch ist es dem Verfasser gelungen, einen interessanten Querschnitt für eine kunst- und kulturgeschichtlich interessierte Leserschaft zusammen zu stellen. Selbstverständlich dürfen „Highlights“ wie etwa Botticellis „Geburt der Venus“ (S. 42-43), Michelangelos „Bacchus“ (S. 48-49), Cranachs „Urteil des Paris“ (S. 57-58) oder Berninis „Apoll und Daphne“ (S. 118-119) nicht fehlen. Dazu treten exemplarisch noch eine Auswahl der bekannten Radierungen von Picasso (S. 214-215) oder Matisse (S. 220-221), Rundbilder von Rodin (S. 192-193), Maillol (S. 198-199), Kolbe (S. 208-209), Lüpertz (S. 234-235), aber auch Arno Breker (S. 218-219). …