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978-3-8353-3209-6
Vom Neandertal nach Afrika
Der Streit um den Ursprung der Menschheit im 19. und 20. Jahrhundert

Mit einem „diskursanalytischen Ansatz“ (S. 23) wird dem sich im Verlauf zunächst höchst spannungsreichen wie allmählich entspannten Meinungsbildungsprozess „über den menschlichen Ursprung“ bei einem forcierten „Blick auf die Wechselwirkungen zwischen Wissenschaft, zeitgenössischer Weltanschauung und gesellschaftlichem Diskurs“ (S. 26) nachgegangen. Mithilfe öffentlicher und interner Publikationen, von Nachlässen und Monographien sowie methodischen Instrumentarien, deren Aktualität schon die verwendeten Begriffe wie Deutungshoheit, Netzwerk, Scientific community bekunden, gelingt der Autorin die Dekonstruktion der „Meistererzählung vom ‚missing link‘“ (S. 141), somit eine Dekonstruktion der mit dem Neandertal-Fund den Anstoß gebenden „weitläufigen Dekonstruktion des Menschen als Abbild Gottes“ aufgrund „einer Rekonstruktion des Menschen aus fossilen Knochen“ (S. 374). …

978-3-412-51246-0
Karol Modzelewski, Gesellschaftspsychologie einer Revolution

Wird aktuell häufig ein Mangel an sozialer Solidarität beklagt, wurde sie 1980/81 in Polen zum Ereignis; hier deklariert als „erhabene Zeit“ (S. 21), denn für „Millionen Polen […] die einzige Erfahrung von aktiv gelebter Freiheit“, „in einer großen Gemeinschaft und im Gefühl brüderlicher Verbundenheit“ (S. 26). Diese kurze Periode lässt der Autor gegenüber den unmittelbar folgenden abstechen, in der Beschreibung von Schwundstufen, Derivationen, Metamorphosen und insbesondere Umkehrungen der ursprünglichen Absichten.

Modzelewski besitzt dafür die Innenperspektive, als Pionier (schon ab Mitte der sechziger Jahre als Reformator aktiv), ja sogar Namensgeber der „Solidarność“. …

978-3-7099-7287-8
Vom Kaiser zum Duce
Lodovico Rizzi (1859-1945). Eine österreichisch-italienische Karriere in Istrien

Für den Verfasser dieser „quellengesättigt[en]“ (S. 8) Lebensskizze des schon seiner Geburt wegen zuhöchst privilegierten, Landgüter besitzenden ‚Gentiluomo’ Rizzi, mündet dessen ungemein vorteilhafte Parteinahme für das habsburgische Regime zwar nicht zwingend in das von Mussolinis Faschismus, wohl aber erblickt Wiggermann in der ‚Verschiebung’ von „Rizzis moralische[m] Referenzsystem“ (S. 391) eine Art von „Verantwortung der altösterreichischen Politikergeneration“ Istriens überhaupt, die wie „viele andere liberale Italiener wissentlich den Antidemokraten Mussolini unterstützt[en]“ (S. 439). …

978-3-8353-3210-2
Im Dienst der Gemeinschaft
Zur Ordnung der Moral in der Hitler-Jugend

Der Autor lässt hier eine „Moralgeschichte“ (S. 21) zum Verständnis der Hitler-Jugend (HJ) abrollen, der Jugendorganisation schlechthin des NS-Regimes, dem oft genug ‚Moral‘ überhaupt abgesprochen wurde und dessen Erforschung deshalb auch in diesem spezifischen Zusammenhang „Lücken“ (S. 78) aufweist.

Relativ komplex stellt Gloy dabei auf „eine Analyse der moralischen Codierung von Begrifflichkeiten und Thematisierungen sowie den damit verbundenen Wissens-, Macht- und Subjektivierungseffekten“ (S. 128) ab, den „interdiskursiven Verknüpfungen und ihren Auswirkungen auf die Konstitution der Subjekte“ im „Kontext des nationalsozialistischen Moralsystems“ (S. 79). …

978-3-499-62204-5
Als die Deutschen weg waren
Was nach der Vertreibung geschah. Ostpreußen, Schlesien, Sudetenland

Berichte über Flucht und Vertreibung der deutschen Ostbevölkerung zum Ende des Zweiten Weltkriegs finden in Deutschland wenig Beachtung. Zurückliegende Publikationen sind längst in Vergessenheit geraten. Noch weit weniger existieren heute Vorstellungen, wie das Leben in den verlassenen und kurz darauf neu besiedelten deutschen Ostgebieten nach 1945 weiterlief. Ein Autorenkollektiv um die deutsche Journalistin Ulla Lachauer und den polnischen Historiker Włodzimierz Borodziej berichtet in vorliegendem Rowohlt-Band über die Zeit, Als die Deutschen weg waren.

Das Buch kann nur wenige Einzelschicksale beleuchten, die aber als exemplarisch für die Vielzahl von Nachkriegsbiographien gelten können, die mündlich weitergegeben, aber niemals aufgezeichnet wurden.…

978-3-96176-055-8
Rom in Germanien
Waldgirmes - Dauerausstellung im Römerkastell Saalburg

Die in den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts überraschende Entdeckung eines frühen Römerlagers in Waldgirmes, Gemeinde Lahnau bei Wetzlar, beförderte die Frage nach Verlauf und Einfluss der augusteischen Eroberung Germaniens. Ein dort gemachter, aufsehenerregender Fund ist ein vergoldeter Bronzekopf eines Pferdes, der einstmals Teil einer kaiserzeitlichen Reiterstatuengruppe gewesen war. Inzwischen im Römerkastell Saalburg, Bad Homburg, ausgestellt, gehört das Objekt zu den herausragenden materiellen Hinterlassenschaften, die die Provinzialrömische Archäologie in der nahe zurückliegenden Zeit gemacht hat. Der Pferdekopf ist daher zentrales Relikt, der – in Verbindung mit Geschichte und Bedeutung des Römerlagers bei Waldgirmes – in einem handlichen Katalogheft einem interessierten Leserkreis vorbildlich aufbereitet zugänglich gemacht wird. …

978-3-8053-5025-9
Palmyra
Biographie einer verlorenen Stadt

Die heute syrische Ruinenstätte Palmyra – nahe der modernen Ortschaft Tadmor – gehört im Netz der Karawanenstraßen Dank ihrer zwei Oasen zu den in römischer Zeit reichsten orientalischen Städten. Bereits in der Seleukidenzeit bedeutend, erlebte Palmyra (übersetzt etwa die „Palmenstadt“) im 1.-3. Jahrhundert ihre Blütezeit, wurde dann aber 273 nach einer gescheiterten Rebellion von römischen Truppen weitestgehend zerstört. Im 4. und 5. Jahrhundert ist die sehr viel kleiner gewordene Ortschaft dann Bischofssitz. Nach der islamischen Eroberung im 7. Jahrhundert wird die Siedlung von ihren Bewohnern nach und nach aufgegeben. Erst die Neuzeit, inspiriert von antiken Texten, interessiert sich erneut für Palmyra. …

978-3-406-73970-5
Schach
Die Welt auf 64 Feldern

Schach ist „ein Kampf zweier gleichstarker Figurenheere“, wie es der deutsche Schachmeister Wolfgang Unzicker einmal ausdrückte. Mit dem Buchtitel Schach, die Welt auf 64 Feldern wählt Christian Mann, Althistoriker an der Universität Mannheim und Internationaler Meister im Schach, eine weniger martialische Einleitung.

Der Beck-Wissen-Band startet mit Schach auf höchster Ebene: Ausschnitte zweier Weltmeisterschaftduelle werden mit Kurznotationen und Schachdiagrammen vorgestellt (S. 7-12). Schach ist „ein endliches Zwei-Personen-Nullsummenspiel mit perfekter Information ohne Zufallseinfluss“ (S. 12) und trotz innerer Komplexität einfach zu erlernen und sowohl Wissenschaft als auch Freizeitvergnügen. …

978-3-406-74185-2
Zölibat
16 Thesen

In Diskursen innerhalb und außerhalb der katholischen Kirche scheint die Frage des Zölibats viele Gläubige besonders in Rage zu bringen, obwohl sie nur einen winzigen Bruchteil des Kirchenvolkes selbst betrifft. Zölibat, 16 Thesen von Hubert Wolf, Professor für Kirchengeschichte an der Universität Münster,sollals „glasklar argumentierender Weckruf“ verstanden werden, wie der Verlag im Umschlagtext ankündigt.

Als Kardinalsübel in der katholischen Weltkirche, die durch Glaubwürdigkeitsverlust, rückläufige Mitgliederzahlen, Priestermangel und Missbrauchsvorwürfe schwer angeschlagen ist, hat Wolf den Zölibat ausfindig gemacht. Seine 16 Thesen sind daher ein durchgängiges Plädoyer für die Abschaffung der verpflichtenden Ehelosigkeit bei Priestern in der katholischen Kirche. Die Existenzberechtigung des Zölibats ist nicht grundsätzlich in Frage zu stellen. …

978-3-406-70055-2
Gott essen
Eine kulinarische Geschichte des Abendmahls

Die Eucharistie wird heute hauptsächlich mit Brot und Wein gefeiert. In Gott essen erzählt Anselm Schubert, Professor am Lehrstuhl für Kirchengeschichte der Universität Erlangen-Nürnberg, die Geschichte des Abendmahls Jesu von den Anfängen über die Zeit der üppigen Herrenmahle bis zu den vielfältigen Formen der Gegenwart.

Was als Mahlkult im frühen Christentum mit Sättigungsmahl und Weinspende sowie anschließendem Trinkgelage begann, entwickelte sich zum Kultmahl der Alten Kirche, das zunehmend „von ausdifferenzierten Klerikerhierarchien verwaltet wurde“ (S. 36). Zuvor wurden nicht allein Brot und Wein als „das Heilige in Form krümeliger und flüssiger Substanzen“ (S. 81) vom einfachen christlichen Fußvolk gestiftet und konsumiert. …