Spoils of Knowledge
Seventeenth-Century Plunder in Swedish Archives and Libraries. Library of the Written Word, Vol. 111: The Handpress World, Vol. 90

Diese Studie von Emma Hagström Molin stellt eine Übersetzung ihrer schwedischsprachigen Dissertation aus dem Jahr 2015 dar. Einleitung und Schluss wurden für diese Ausgabe neu verfasst, wobei diese drei Fallstudien umrahmen. Die Verfasserin betrachtet die Gegenstände ihres Werks von einem „object-biographical viewpoint“ (S. 52) aus. Die Wandelbarkeit der untersuchten Gegenstände und ihre instabilen Rollen in changierenden Sammlungszusammenhängen sind die leitenden Grundgedanken dieser Arbeit. Im Fokus stehen drei heutzutage bedeutsame kulturelle Einrichtungen des Königreichs Schweden, deren jeweiliger Sammlungsgrundstock aus dem 17. Jahrhundert zu guten Teilen aus erbeuteten Kulturgütern besteht. Der Archiv- und Bibliotheksfundus dieser drei Institutionen bildet das vorrangige Quellenmaterial dieser Studie (S. 175 f.): Mithilfe von Katalogen und Inventarlisten aus der Beute selbst bzw. von den Institutionen verfolgt die Verfasserin die Spuren der Beutestücke in den Sammlungen. Ein paar wenige Reiseberichte aus dem 17., 18. und 19. Jahrhundert stehen dem gegenüber und stellen eine Art exemplarischer Außensicht auf die jeweilige Sammlung und die ihr zugeschriebenen Eigenschaften dar. Die ‚außerschwedische‘ Vorgeschichte der geraubten Bücher und Schriftstücke hingegen wird allenfalls am Rande erwähnt; und die politischen und militärischen Vorgänge, welche das Beute-Machen ermöglichten, werden gar nicht erörtert. Im Mittelpunkt der Studie steht allein die Integration dieser erbeuteten Bücher und Schriftstücke in die je spezifischen Sammlungskontexte und ihre wiederholte Neubetrachtung und Neubewertung in sich wandelnden Zusammenhängen im Laufe des 17. Jahrhunderts.

Die Gliederung von Hagström Molins Studie orientiert sich an diesen drei Institutionen, die Beute aufnahmen und in die räumlichen Beziehungen der sich damals gerade entwickelnden Sammlungen neu einbetteten: dem Reichsarchiv in Stockholm, der Universitätsbibliothek in Uppsala und dem Schloss Skokloster am Mälarsee. Im Fokus stehen hierbei drei spezifische Beutekomplexe: die im kurländischen Herzogsschloss zu Mitau/Jelgava erbeuteten Archivalien, die Bibliotheken des Jesuitenkollegs zu Braunsberg/Braniewo und des Domkapitels zu Frauenburg/Frombork sowie die Bibliothek des von Schlesien (!) nach Dänemark ausgewanderten Adeligen Wenzel Rothkirch (vgl. S. 131). Das unterschiedliche Vorgehen von zwei Beute-Machern und zentralen Akteuren der schwedischen Großmachtzeit wird von Hagström Molin einander gegenübergestellt. König Gustav II. Adolf ließ umfassend ganze Bibliotheken nach Schweden führen, gerade jene der Jesuiten von der südlichen Ostseeküste, um den zentralen Wissensspeichern seines Königtums einen Grundstock zu verschaffen. Der schwedische Feldmarschall Carl Gustaf Wrangel ließ hingegen eine Auslese treffen, um seine Sammlungen möglichst gezielt zu vervollständigen, welche in seinem Schloss Skokloster noch zu seinen Lebzeiten in einer Art Museum zu den militärischen Erfolgen seiner Person zusammengefasst wurden. Entlang von verschiedenen Ordnungskategorien wie etwa ihrer materiellen Beschaffenheit, ihrer Größe, ihrer geographischen Herkunft, ihrer zugeschriebenen konfessionellen Bindung und ihres historischen Alters wurden die Bücher und Schriftstücke wiederholt neu zugeordnet und in anderen räumlichen Zusammenhängen verortet. Während bei manchen der erbeuteten Archivalien aus Mitau ihr Charakter als Kriegsbeute verwischte und verlorenging, färbte die überaus präsente Zuschreibung als Kriegsbeute auch auf die auf andere Weise erworbenen Sammlungsstücke Wrangels ab.

Die ausführenden Köpfe der Sammlungsgestaltung, die Archivare und Bibliothekare, wie etwa Per Månsson Utter, Johannes Bureus, Laurentius Tolfstadius und Conrad Bütner, werden zwar namentlich genannt, werden durch diese Studie aber kaum greifbar. Sie verbleiben weitgehend bloße Referenzpunkte für die Art und Weise der Organisation der Sammlungen bzw. für die Inventarisierung der Objekte. Der Vergleich der großen staatlichen Plünderunternehmungen, wie der Erbeutung der heute noch mehr als 2.300 in der Universitätsbibliothek von Uppsala fassbaren Bücher aus dem Jesuitenkolleg Braunsberg (S. 91), mit dem Beute-Machen eines adeligen Feldmarschalls, der 90 Bücher aus dem Besitz des königlich-dänischen Stallmeisters Wenzel Rothkirch an unbekanntem Orte wegnahm (S. 131 f.), erscheint disparat. Ein vertiefender Blick auf königlich-staatliches oder auf aristokratisch-privates Erbeuten von Kulturgütern wäre hier wünschenswert gewesen. 22 Abbildungen und ein Index beschließen den informativen Band.