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Der Killer im Kreml - WLA-Online - Wissenschaftlicher Literaturanzeiger
Der Killer im Kreml
Intrige, Mord, Krieg. Wladimir Putins skrupelloser Aufstieg und seine Vision vom großrussischen Reich

Glorifizierung, wie sie rumänische und nordkoreanische Partei-Lyriker, Bildhauer und Tonkünstler gegenüber Nicolae Ceausescu und Kim Il-sung auf die Spitze trieben, ist im russischen Kulturleben hinsichtlich des Präsidenten Wladimir Putin trotz einer dort wirkenden „Church of Putinology“ (S. 166) nicht zu beobachten. Dennoch ist Putin hier Synonym für Einheit, Stärke und Fürsorglichkeit, womit Antonyme für Nennungen gesetzt sind, die sich in westlichen Medien gegenüber Putin spätestens nach Beginn des Ukraine-Krieges verfestigt haben. So ist Putin für den britischen Sachbuchautor John Sweeney vor allem Der Killer im Kreml, dessen Lebenslauf sich durch Intrige, Mord und Krieg auszeichnet.

Sweeneys Buch ist eine Kriminalgeschichte des Wladimir Putin, der beim russischen Überfall auf die Ukraine im Februar 2022 „Die Tötungsmaschine“ (S. 9-41) in Gang setzte, deren Anrollen der Autor aus dem winterlichen Kiew heraus miterlebte. Um Putin als Emporkömmling, Taktiker, Machtmensch und Kriegsherr besser fassen zu können, ist Rückschau nötig. „Der Rattenjunge“ (S. 42-48) bleibt knapp gehaltenes Kapitel über Putins Leningrader Jugendjahre. Als Kind, das „tückisch, fies, roh und klein“ war (S. 45), wuchs 'Wowa' mit Ratten auf, die für Leningrad so bedrohlich waren wie die Tauben für Italiens Ewige Stadt. Die Nagetiere effizient mit Gift zu bekämpfen, leuchtete dem Heranwachsenden rasch ein: „Womöglich war das der Augenblick, in dem Putin der Macht des Gifts verfiel. Immerhin ist doch auffallend, wie viele von seinen Feinden an Gift gestorben sind“ (S. 47).

Die Erfolgskurve des 23-Jährigen nach Aufnahme in den sowjetischen Geheimdienst knickt später ein, Putin wird nicht sowjetischer James Bond in New York, sondern KGB-Hauptmann mit Stasi- Ausweis im Dresdener DDR-Nichts. Hier ließ er „entweder Papierberge wachsen oder RAF-Puppen tanzen“ (S. 54), womit Sweeney Bemühungen der DDR anspricht, vom Bundeskriminalamt gesuchte RAF-Aussteiger in Honeckers Machtbereich Unterschlupf zu gewähren.

Nach Mauerfall und friedlicher Revolution in seine Geburtsstadt zurückgekehrt, war für Putin der Untergang der UdSSR, der hauptsächlich durch Afghanistankrieg, Tschernobylkatastrophe und die jahrzehntelange kommunistische Kommandowirtschaft ausgelöst wurde (S. 54-56), auch Zäsur in eigener Sache, die ihn jedoch nicht ins Bodenlose fallen ließ. Der Mann, der „in einem äußerst billig wirkenden Anzug mit schütterem Haar, die Aktentasche des Bürgermeister tragend“ (S. 58) und „ausgesprochen lakaienhaft, anspruchslos und beflissen“ (S. 59) auftrat, wurde Protegé des damaligen Sankt Petersburger Bürgermeisters Anatoli Sobtschak (1937-2000), der auch als politischer Ziehvater des späteren russischen Präsidenten Dmitri Medwedew galt.

Als eine der zahlreichen unguten Erbschaften der Jelzin-Jahre erwies sich für Putin der Zweite Tschetschenienkrieg, dessen Schrecken zum Zeitpunkt von Putin berühmter Rede im Deutschen Bundestag am 25. September 2001 bereits seit Jahren anhielten. Die russischen Kriegsverbrechen im Kaukasus dokumentierte schonungslos die russisch-amerikanische Menschenrechtsaktivistin Anna Politkowskaja, „eine ungeheuer mutige Frau“ (S. 117), deren Ermordung 2006 für Putin selbstredend „Ein Tod ohne Bedeutung“ war (S.116-125).

Recherchearbeit über „Putins Frauengeschichten oder vielleicht auch seinen Männergeschichten“ (S. 165) ist in Russland unmöglich. Wer sie dennoch wie der russische Investigativjournalist Roman Badanin betreibt, lebt gefährlich. Auf Badanins Proekt-Internetseite ist ein thronender Zar Putin zu sehen, der statt Reichsapfel und Zepter die Insignien Ball und Keulen in Händen hält, nebst der rhythmischen Sportgymnastin Alina Kabajewa als junge Gemahlin im gerafften Tüll-Negligé. Karikaturen wie diese desavouieren Putin als „Russlands größtes Potenzmonster“ (S. 151-165), über das Sweeney mit Hilfe von Badanins Enthüllungen über Putins Gspusi berichtet. Im Ergebnis weist Putin aus der Verbindung mit drei Frauen „in Summe 7 oder 8“ Nachkommen auf, aber „genau weiß es niemand.“ (S. 164).

So wenig Klarheit über Putins Techtelmechtel mit der 30 Jahre jüngeren Kabajewa besteht, so unklar bleibt auch Putins Einstellung zu Kriegsopfern. „Bedauern Sie die vielen Todesopfer in der Ukraine?“ (S. 182-199) ist als Zuruf eines westlichen Journalisten in Richtung Putin außerhalb gut inszenierter Pressekonferenzen des Kremls unmöglich. Durch Bodyguards in Moskau an spontaner Befragung gehindert, reist Sweeney ins sibirische Jakutsk, um sich mit Fuchsschläue im dortigen Mammutmuseum unter honorige russische Paläontologieprofessoren zu mischen, denen Putin einen Besuch abstattet. Der Chef des größten Flächenstaates der Erde, der „in seinem eiernden Gang“ (S. 192) mehr einem Homunkulus ähnelt, äußert sich hier, weniger abgeschirmt, bereitwillig zu ukrainischen Toten. Er ist „makellos gekleidet, sehr klein“ und tritt mit faszinierendem Gesicht auf, „weil es mit einem Plastikglanz überzogen ist“. Botox-Hersteller wären alarmiert, „aber wenn man der Herr im Kreml ist, sagt einem niemand, dass der Eingriff in die Hosen gegangen ist“ (S. 193).

Das System Putin, das die freie Entfaltung eines pluralistischen Medienmarktes im eigenen Land unterdrückt und die „Zombiefizierung Russlands“ (S. 165) vorantreibt, bedarf eines funktionierenden Unterbaus aus willfährigen Oligarchen, Militärs und Bürokraten. Die Arbeit, die der „Serienmörder“ (S. 164) im Kreml verrichtet, stützt sich aber auch auf „Nützliche Idioten“ (S. 269-299) des Auslands, zu denen Sweeney auch Altbundeskanzler Gerhard Schröder zählt, der als „ein ganz klarer Fall von 'nützlichem Idioten' des Kremls“ (S. 273) gelten kann. Führenden Politikern aus westlichen Demokratien scheint der russische Staat „besorgniserregend nahe zu kommen“, indem „eine Art Matrjoschka-Spiel“ betrieben wird: „Öffne die Donald-Trump-Puppe und/oder die von Nigel Farage oder Jeremy Corbyn oder Matteo Salvini oder Marine Le Pen, und jedes Mal grinst dir Wladimir Putin entgegen“ (S. 273).

Sweeney, zuweilen manikürt in den Landesfarben der Ukraine, zeichnet in vorliegendem Buch ein Negativbild des russischen Präsidenten. Als Vorlage diente offenkundig der 2012 durch die amerikanisch-russische Journalistin Masha Gessen veröffentlichte Enthüllungsbericht Der Mann ohne Gesicht, Wladimir Putin, den Sweeney hervorhebt und durch Berichte über die zwischenzeitlich erfolgte russische Krim-Annexion und Putins zunehmend repressiven Führungsstil sowie den Ausbruch des Ukraine-Krieges ergänzt und aktualisiert. Gelegentlich streut Sweeney knappe Ausschnitte von Interviewverläufen ein, die er führte mit Norman Dombey, Sachverständiger in der öffentlichen Untersuchung im Mordfall Litwinenko (S. 134-137), Dmitri Peskow, Pressesprecher Putins, über Litwinenko und die Sprengstoffanschläge auf russische Wohnhäuser 1999 (S. 142-143) und Roman Badanin, Journalist, der mögliche Verbindungen Putins zu Alina Kabajewa untersuchte (S. 161-162). Der russische Nationalist Alexander Dugin, den der Autor zum Mordfall Nemzow befragt (S. 209-210), bricht das Interview ebenso abrupt ab wie „der bei Weitem dickste Fisch im Netz des Kremls“ (S. 253) Donald Trump, der über Felix Sater, der den Moskauer Trump Tower verwirklichen sollte, nicht sprechen will (S. 257-258).

John Sweeney, ein Foxterrier unter den britischen Journalisten der Gegenwart und mutig wie Anna Politkowskaja, leidet mit am unterdrückten Russland und klagt in vorliegendem Band „Putin und seine Bande“ (S. 246) schonungslos an. Putin wird dabei fast persönlicher Gegner des Autors, der sich zuweilen emotional in Rage schreibt. Dem Kremlherrscher eine Armlänge gegenüberstehend, wird dem Journalisten, der für Observer und BBC arbeitete, plötzlich übel: „Aber ich habe mich nicht auf ihn übergeben. Das bereue ich inzwischen. Im Ernst, ich wünschte, ich hätte es getan“ (S. 195).