Seit Juli 2009 führen 22 Universitätsinstitute, Forschungseinrichtungen und Denkmalpflegeämter im Schwerpunktprojekt „Frühe Monumentalität und soziale Differenzierung“ der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel Forschungen zum Mittelneolithikum in der norddeutschen Tiefebene durch. Im vorliegenden Werk publiziert Johannes Müller, Professor und Direktor des Ur- und Frühgeschichtlichen Instituts der Universität Kiel, im März 2017 die neuesten Forschungsergebnisse des Schwerpunktprojektes. Dabei geht er der Frage nach, wie sich die frühen Monumentalbauten zu der Entwicklung der sozialen Verhältnisse nach der Sesshaftwerdung um 4100 v. Chr. verhalten.
Diese Fragestellung gliedert sich im Projekt in mehrere Forschungsschwerpunkte. In der vorliegenden Publikation finden die Untersuchungen zum Siedlungsbau und zu den megalithischen und nicht-megalithischen Anlagen besondere Beachtung. Zum allgemeinen Verständnis des Lesers wird zu Beginn auf die Chronologie der Trichterbecherzeit eingegangen. Diese wird mit detaillierten und ausführlich erklärten Chronologietabellen erläutert, insbesondere von trichterbecherzeitlicher Keramik, anhand derer der überwiegende Teil der Datierungen und kulturellen Einordnungen durchgeführt wird.
Ein großer Aspekt des Schwerpunktprojekts liegt in der Auffindung und Erforschung trichterbecherzeitlicher Siedlungsspuren. Anhand von ausgewählten Befunden der 64 untersuchten Häuser aus 14 Fundplätzen werden die Forschungsergebnisse zur Lebensweise und dem Siedlungswesen der trichterbecherzeitlichen Gesellschaften des 4. Jahrtausends v. Chr. vorgestellt. Die zahlreichen Befundpläne der Grabungskampagnen und Fotografien von Funden geben ein umfassendes Bild der Forschung der Archäologen. Durch die zahlreich datierten Befunde der Fundplätze, die sich über den gesamten Zeitraum des Mittelneolithikums verteilen, wird die Entwicklung der Siedlungsweise und des Häuserbaus in der Trichterbecherkultur nachskizziert. Insbesondere die aufwendigen Rekonstruktionszeichnungen veranschaulichen den Wandel von Gebäuden und Siedlungen. Die interdisziplinäre Arbeitsweise erlaubt noch tiefere Einblicke in das Leben der Trichterbechergesellschaften. Mithilfe von naturwissenschaftlichen Forschungen werden Ackerbau und Viehzucht mit Veränderungen der natürlichen Umwelt und des Klimas in Zusammenhang gebracht. Dieser Zusammenhang zwischen Klimaveränderungen, menschlichen Aktivitäten in Form von Siedlungstätigkeit und Veränderungen der Flora und Fauna im Mittelneolithikum wird unter nachvollziehbarer Erklärung der herangezogenen Forschungsmethoden anschaulich deutlich gemacht.
Ein weiterer Schwerpunkt dieser Publikation sind megalithische und nicht-megalithische Grabanlagen. Die Vielfältigkeit der trichterbecherzeitlichen Gräbertypen, und im Falle der megalithischen Gräber ihrer Architektur, wird insbesondere mithilfe der Fotografien deutlich. So wird die Entwicklung und die Funktion dieser megalithischen und nicht-megalithischen Anlagen verständlich. Die Errichtung der Dolmen und Großsteingräber wird in einem kurzen Exkurs in die experimentelle Archäologie veranschaulicht. Auch wird sich der Kulte um die Bestattungssitten gewidmet. Die Entwicklung der Grabkomplexe wird umfassend erläutert, ebenso die Bestattungsarten sowie Grabbeigaben und die Nutzungsphasen insbesondere der Megalithgräber.
Ebenfalls rituell genutzt wurden die Grabenwerke. Rekonstruktionszeichnungen verdeutlichen ihren monumentalen Aufbau. Auch hier werden die Nutzungsphasen anhand der archäologischen Funde und Befunde erläutert. Von besonderer Bedeutung sind die bei den archäologischen Grabungen dokumentierten Erdschichten.
Im Ausblick wird noch einmal auf den Forschungsschwerpunkt der Megalithgräber eingegangen und der Frage nach dem Grund für die Errichtung dieser Gräber nachgegangen. Die Entwicklung von Landwirtschaft und Viehzucht, die Klimaveränderungen und die rituellen Aspekte üben alle einen Einfluss auf die Errichtung der Megalithgräber aus.
Auf nachvollziehbare Weise und dank einer ausbalancierten Mischung von Grafiken, Fotografien und Zeichnungen gelingt es, anhand der neuen Forschungsergebnisse des Schwerpunktprojektes die Relevanz dieser Ergebnisse deutlich zu machen. Das Zusammenspiel von archäologischen und naturwissenschaftlichen Erkenntnissen gibt die enge Verbindung zwischen der Entwicklung von Klima, Umwelt und Kultur der mittelneolithischen Gesellschaften im norddeutschen Raum zu erkennen.