Mittelmeerraum

Kulturräumlich-zivilisatorische Trias

Länderkunden gibt es Hunderte, von fast allen wichtigen Ländern der Erde, von manchen gar mehrere. Und einige sind wirklich gut, in dem Sinne, daß es darin gelungen ist, die aktuelle, im historisch-aktuellen Widerstreit der natürlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen gewachsene geographische Substanz des betreffenden Landes zu durchdringen, in ihrem regionalen und globalen gesellschaftlichen und ökologischen Verbund sachgerecht, mit den nötigen Details und in verständlicher Sprache in Wort und Bild darzulegen, zu bewerten und schließlich auf die (nähere) ökologische und ökonomische Zukunft hin zu projizieren.
Dies für ein ganzes Bündel von Ländern zu tun, wie es hier Horst-Günter Wagner versucht hat, heißt freilich, Komplexität und Problematik zu potenzieren, zumal für einen Raum, der trotz gemeinsamer naturräumlicher Grundlagen gerade durch seine Kontraste auf engstem Raum auffällt: Europa, Afrika und Asien – die römisch-katholische und die orthodoxe Kirche sowie der Islam – Industrie- und Entwicklungsländer – Boomzonen und „Hinterwaldregionen“ – wachsende und schrumpfende generative „Räume“ stehen dafür. Und dennoch zieht sich ein erstaunlich starkes „mediterranes“ Regionalbewußtsein gewissermaßen als Gegenpart zur Globalisierung bis heute durch diesen Raum. Die wirtschaftlichen und sozialen Ungleichgewichte, der Gegensatz zwischen Stadt und Land, zwischen Binnenregionen und Küsten, die Rolle der inländischen, zwischenstaatlichen und nach außen gerichteten Wanderungsbewegungen, der differenzierte soziale Wandel der Erwerbsstrukturen u. a. mehr wird hier exzellent analysiert und bewertet, gekonnt bebildert, „bezeichnet“ und in den Gesamtzusammenhang gestellt. Wagner (Geograph an der Universität Würzburg) zeigt dabei enorme Detailkenntnisse, eine hohe Kompetenz auf allen relevanten Feldern der Geographie, Geschichte und Sozialwissenschaft, sowie vor allem die Fähigkeit zu einer optimalen Verknüpfung von Raum und Prozeß. Er strukturiert diesen „Kampfraum zwischen Beharrung und Innovation“ und stellt abschließend in seinen „Einblicken“ heraus, wie sich die Gesamtregion derzeit darstellt, wie von innen und von außen versucht wird, die regionalen Disparitäten mit Staats- und internationalen Mitteln zu beseitigen, wie die EU zum Mittelmeerraum und dieser zur EU und zum globalen „Staatenverbund“ steht und zeigt dabei sehr klar, wie sich das Bild im Vergleich zur Vergangenheit verschoben hat. Literaturverzeichnis, Orts- und Sachregister entsprechen dem hohen Niveau dieser wirklichen Länderkunde, denn alle anderen sind – streng und wörtlich genommen – „nur“ Landeskunden. Dies Werk ist für jeden eine Fundgrube und ein Lektion, sei er nun Wissenschaftler, Lehrer oder einfach nur ein an Vergangenheit, Gegenwart oder Zukunft dieses Raumes oder eines seiner Teile interessierter Laie.