Was ist das Besondere an der Neurologie? Der Ehrgeiz der Neurologen aus Einzelbefunden exakt auf den Läsionsort im Nervensystem zu schließen. Dabei ist uns oft nicht bewußt, daß die neurologisch-topische Diagnostik zu einem großen Teil auf den Beobachtungen von Ausfallssymptomen nach Schlaganfällen beruht. Markante Beispiele sind die Syndrome der motorischen, sensorischen und globalen Aphasien, die im Grunde Gefäßsyndrome darstellen. Auf der einen Seite haben die neuen bildgebenden Verfahren die Neurologie revolutioniert, auf der anderen Seite aber auch gerade die klinische Fähigkeit der topischen Diagnostik scheinbar verwässert. Die moderne Gefäßdiagnostik wirft aber häufig auch die Frage auf, welche Gefäßläsion tatsächlich für die Symptomatik eines Patienten verantwortlich ist. Dies setzt eine genaue Kenntnis der klinischen vaskulären Neuroanatomie und Pathophysiologie voraus.
Mit Stroke Syndromes legen J. Bogousslavsky und L. Caplan, international anerkannte Experten auf dem Gebiet der vaskulären Neurologie, als Herausgeber ein umfassendes Werk aller klinisch-neurologischen Aspekte des Schlaganfalls vor. Schwerpunkt dieses Buches sind nicht die neuesten bildgebenden Verfahren oder interventionellen Techniken für Diagnostik und Behandlung von Hirninfarkten, sondern beide Bände fokussieren allein auf die klinisch-neurologischen Aspekte, obwohl das Abbildungsmaterial und die Therapieempfehlungen erwartungsgemäß auf dem neuesten Stand sind.
Im ersten Teil des Werks werden in insgesamt 28 Kapiteln umfassend alle klinischen Symptome und neurologischen Befunde in Verbindung mit Schlaganfällen und deren topische Zuordnung dargestellt. Hier vermißt man auch nicht eine ausführliche Darstellung der neuropsychologischen Defizite und psychiatrischen Aspekte als Folge eines Schlaganfalls. In weiteren 26 Kapiteln wird die Symptomatik in Abhängigkeit vom Läsionsort und der Lokalisation der Gefäßpathologie einschließlich der vaskulären spinalen Syndrome besprochen. Natürlich beschränkt sich das Werk nicht allein auf den ischämischen Hirninfarkt, sondern schließt auch die Hirnblutungen sowie Sinus- und Hirnvenenthrombosen mit ein. Obwohl mehr als 80 Autoren für die einzelnen Kapitel verantwortlich zeichnen, ist den Herausgebern ein sehr homogenes Buch gelungen. Die Bebilderung ist ausreichend, obwohl bis auf wenige Ausnahmen schwarz-weiß.
Uncommon Causes of Stroke ist als Begleitband zu Stroke Syndromes konzipiert, in der Erstauflage bildete der jetzige Band die Schlußkapitel dazu. Die thematische Trennung hat die Les- und Benutzbarkeit eher gesteigert als vermindert. Der Band widmet sich den seltenen Ursachen des Hirninfarkts und der Hirnblutung. Im Gegensatz zu der vergleichbar homogenen Qualität der Einzelkapitel in den Stroke Syndromes, ist in diesem Band die Heterogenität der Beiträge wesentlich höher und z.T. sind einzelne Kapitel (z.B. das zu den Gerinnungsstörungen) nicht auf dem neuesten Stand. Alles in allem ist der Band aber sehr brauchbar, da tatsächlich die seltenen Ursachen hier unter klinisch-diagnostischen Aspekten kompiliert sind; es wäre sicherlich sehr mühsam, diese Informationen bei Bedarf aus verschiedensten Quellen zusammenzutragen, zum anderen ist der Band sehr nützlich, da man sicherlich nicht ad hoc an alle differentialdiagnostischen Möglichkeiten im Bedarfsfall denken kann.
Beide Bände richten sich an Neurologen, bzw. Interessierte anderer konservativer Fachgebiete, die mit der Behandlung von Schlaganfallpatienten betraut sind. Die Bücher richten sich ferner auch an Kollegen in der Facharztweiterbildung, für Studenten sind sie jedoch didaktisch weniger geeignet. Der ideale Einsatzort dieser Bände ist die Schlaganfall-Spezialstation (Stroke Unit), auf der sie nicht fehlen sollten, zumal das Preis-Leistungsverhältnis die nicht geringen Anschaffungskosten rechtfertigt.