Preise im vor- und frühindustriellen Deutschland
Nahrungsmittel – Getränke – Gewürze – Rohstoffe und Gewerbeprodukte

Stattliche Preise

Wenngleich in der Jahrtausende alten vorindustriellen Agrargesellschaft bei den lebensnotwendigen Gütern des Alltagsbedarfs die häusliche Selbstversorgung wie heute noch in armen südlichen Entwicklungsländern bei weitem dominierte, bestand seit der Entstehung städtischer Märkte doch schon ein reges Interesse an den Preisen dort gehandelter Waren, um eventuelle geringe Überschüsse aus der eigenen Erzeugung gewinnbringend abzusetzen oder aber etwas hinzuzukaufen; hier besonders Getreide, das bei den häufigen Notzeiten nach Mißernten schnell knapp werden konnte. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts begannen historisch interessierte Nationalökonomen auch in Deutschland nach der Gründung statistischer Vereine und Ämter in größeren Städten erstmals frühere Preise in Archiven zu sammeln und Preisreihen zu Vergleichszwecken zu konstruieren, was aber wegen der ungeheuer mühevollen Arbeit sachliches, zeitliches sowie räumliches Stückwerk bleiben mußte und viele methodische Vergleichsprobleme aufwarf. Moritz J. Elsas begann dann nach dem Ersten Weltkrieg, unterstützt vom Deutschen Städtetag und der sich verstärkenden konsumgeschichtlichen Forschung, mit der Sammlung älterer Lohn- und Preisreihen bis zum Beginn des Industriezeitalters um 1850 und veröffentlichte 1935 darüber einen ersten dreibändigen Umriß, der aber nicht fortgeführt werden konnte. Der Göttinger Agrarhistoriker Wilhelm Abel und sein Assistent sowie späterer Amtsnachfolger Karl Heinrich Kaufhold sahen nach 1964 daher eine Aufgabe darin, diese wichtige Grundlagenforschung fortzusetzen. Nachdem die vor- und frühindustriellen Lohnreihen 1984 bereits veröffentlicht worden waren, wurde mit der ebenso sorgfältigen Herausgabe der historischen Preisreihen begonnen. Dabei erkannte man, daß das sehr umfangreiche Quellenmaterial auf zwei Bände aufgeteilt werden mußte. Nachdem 1990 zunächst die Preisreihen der Grundnahrungsmittel ediert wurden, folgen hier nun solche über die übrigen Nahrungs- und Genußmittel sowie die Preise für einige Rohstoffe, Halb- und Fertigprodukte. Ein äußerst umfangreiches Jahrhundertwerk ist damit erfolgreich abgeschlossen worden. Die über 400 Preisreihen (133 im ersten und 267 im zweiten Band) bieten der historischen Forschung jetzt gemeinsam eine reiche Fundgrube an Fakten und Zahlen, die vermutlich lange Zeit einzigartig bleiben wird. Bei dieser Quellensammlung, an deren Zustandekommen sich Hans-Jürgen Gerhard besonders verdient gemacht hat, ist noch besonders zu loben, daß sie dem Leser einleitend alle gängigen historischen Ansätze und Methoden preisgeschichtlicher Forschung erklärt, so unter anderem den Vergleich der Preisarten und ihrer wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, ferner die Vergleichbarkeit von Qualität und Mengen verschiedener Waren sowie von früheren Maßen, Gewichten, Münzen und Währungen, ferner die Schwierigkeiten bei der Gegenübersetzung von Erntejahren mit den Vergleichsperioden und schließlich die Probleme der Authentizität und Rangordnung solcher preisgeschichtlicher Dokumente, von denen hier auch einige größere Bestände kenntnisreich charakterisiert werden. Der Leser erfährt hier unter anderem, was früher eine Brot- und Biertaxe, ein Marktamtszettel oder ein Preiscourant etc. bedeuteten. Jedoch darf das gewaltige Zahlenwerk freilich nicht darüber hinwegtäuschen, daß auch hier eine Auswahl aus der unübersehbaren Fülle der überlieferten Daten getroffen werden mußte und noch viel Raum für weitere Forschungen in dieser Richtung bleibt.