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European Feminisms, 1700-1950 - WLA-Online - Wissenschaftlicher Literaturanzeiger
European Feminisms, 1700-1950
A Political History

Rereading Feminist History

In dieser komparativ angelegten Studie untersucht Karen Offen die Geschichte des europäischen Feminismus im Zeitraum von 1700 bis 1950. Das Hauptaugenmerk der Autorin liegt dabei auf Frankreich; daneben finden aber auch Entwicklungen in anderen europäischen Ländern wie Portugal, Polen, Spanien, die Schweiz, Skandinavien, Italien, Irland, Deutschland, Rußland, England und Ungarn Berücksichtigung. Daß einige Länder in dieser sehr umfassenden Studie fehlen, begründet Offen etwa mit mangelndem Datenmaterial über Kroatien und Luxemburg oder zu großen kulturellen Unterschieden im Falle der Türkei. Mit der Darstellung der langen Tradition feministischer Strömungen strebt Offen zugleich ein rereading der europäischen Geschichte aus feministischer Perspektive an. Dabei argumentiert sie in Abgrenzung zu dem Artikel „Gender: A Useful Category of Historical Analysis“ der postmodernen feministischen Historikerin Joan Wallach Scott, daß gender nicht ein nützliches Analysekriterium ist, sondern vielmehr ein zentraler Aspekt der Politik. Offen betont, daß feministische Forderungen primär politischer und nicht philosophischer Natur sind, in konkreten Situationen entstehen und eine explizite Kritik am Status quo darstellen. Somit bildet die Tradition feministischer Strömungen einen integralen Bestandteil der politischen Geschichte und ist daher sowohl im Kontext von Staatenbildungen und militärischen Konflikten als auch von Bildungsfragen, Religion und Ökonomie zu sehen. Ihr Konzept vom Feminismus verbindet Karen Offen mit einer vehementen Kritik an den gender-Theorien Judith Butlers und Joan Wallach Scotts, deren Thesen und Annahmen sie unter anderem auf ein fälschliches Verständnis von Gleichheit zurückführt. Nach Offens Ansicht sind physische und sozial konstruierte Unterschiede zwischen den Geschlechtern die Basis für deren gesellschaftliches Ungleichgewicht; und Feminismus ist zugleich Theorie und Praxis, die eine einzige Ungerechtigkeit in Frage stellen – nämlich männliche Hegemonie.

Die historischen Versuche, die männliche Hegemonie in Europa zu durchbrechen, werden in dem Buch European Feminisms in drei Phasen, respektive in die drei Jahrhunderte des Untersuchungszeitraums unterteilt und anhand von zahlreichen Beispielen aus europäischen Ländern expliziert. Offen plädiert dabei für die Verwendung einer geologischen Metaphorik; sie spricht von „Eruptionen“, „Flüssen“ und „Lava“, was verdeutlicht, daß sich feministische Kritik im Laufe der Zeit zwar kontinuierlich entwickelte, aber verschiedentlich auch mit punktueller Vehemenz deutlich gegen gesellschaftliche Bedingungen wendete.

Der erste Teil der Studie widmet sich dem 18. Jahrhundert, insbesondere der Aufklärung und der Französischen Revolution. Offen schwächt dabei in ihrer Studie die Bedeutung der führenden (männlichen) Denker der Aufklärung ab. Außerdem betont sie, daß eine Vielzahl von Frauen und Männern im 18. Jahrhundert feministische Gedanken über die Frauenfrage verschriftlichte und schließt mit der Forderung „daß wir die Aufklärung für den Feminismus zurückerobern müssen“ (vgl. S. 29). Entgegen der weitverbreiteten historischen Lehrmeinung sieht Offen in der Französischen Revolution ein großes Potential für die Entwicklung feministischer Ideen, was sich ihrer persönlichen Meinung nach beispielsweise in der öffentlichen Forderung nach der vollen Staatsbürgerschaft für Frauen zeigte.

Für das 19. Jahrhundert, das im zweiten Teil analysiert wird, identifiziert Offen fünf wichtige Aspekte. (1) Der Erwerb von Bildung, der bereits im 18. Jahrhundert gefordert wurde, blieb eines der vordringlichsten Anliegen feministischer Bestrebungen. (2) Der Nationalismus und die Formierung von Nationalstaaten wirkten sich insofern auf die Stellung der Frauen aus, da deren Rolle als Mütter eine Schlüsselfunktion für die künftige Entwicklung der Länder beigemessen wurde. (3) Die ökonomische Situation der Frauen war dadurch gekennzeichnet, daß sie in steigendem Maße bezahlter Arbeit nachgingen, was Diskussionen über das Modell des „männlichen Ernährers“ evozierte. (4) Eine wichtige Entwicklung gegen Ende des 19. Jahrhunderts war auch die aufkommende Konkurrenz zwischen Feminismus und Sozialismus. (5) Den Zuwachs nationaler Frauenbewegungen und Bestrebungen, eine internationale feministische Allianz zu etablieren, stuft Offen als Entwicklung ein, die mit den zuvor genannten zusammenhängt und durch sie bestimmt ist.

Die Erörterung der Phase vom Ersten Weltkrieg bis zum Einsetzen des Kalten Krieges erfolgt im dritten Teil des Buches. Die neue Kriegstechnik während des Ersten Weltkrieges führte Offens Meinung nach zu einer Veränderung des Geschlechterverhältnisses, bei der Männer zu nationalen Helden stilisiert und gleichzeitig feministische Strömungen deutlich zurückgedrängt wurden. Sie erkennt durchaus die Erlangung des Frauenwahlrechts, politischer Repräsentation, den verbesserten Zugang zu Bildung und Beruf als deutliche Erfolge an, sieht diese Phase aber dennoch durch einen deutlich Rückschritt (backlash) geprägt. Vor allem die dramatischen Entwicklungen während und nach dem Ersten Weltkrieg, der aufkommende Nationalismus und die Entstehung des Faschismus sowie der Zweite Weltkrieg schränkten feministische Aktivitäten in Europa deutlich ein. Offens Monographie bietet eine Fülle von Informationen über die Entwicklung feministischer Strömungen in verschiedenen europäischen Ländern, die durch eine umfassende Bibliographie von Primär- und Sekundärliteratur benutzerfreundlich abgerundet wird. Das sowohl zeitlich als auch geographisch sehr breite Spektrum der Untersuchung bringt es jedoch mit sich, daß Entwicklungen bisweilen nur sehr oberflächlich dargestellt werden können. Ihrem Anspruch, die Geschichte Europas aus feministischer Perspektive neu zu schreiben, wird Offen aber dennoch in gewisser Weise gerecht und spricht durch die erfolgreiche Verortung der Studie an der Schnittstelle zwischen Politikwissenschaften, Geschichtswissenschaften und den Gender Studiesein breites Publikum an.