Vom Goldstandard zum Euro
Die Geschichte des internationalen Währungssystems

Goldfinger ...

Nicht sehr oft findet man ein wirtschaftswissenschaftliches Buch über die Geld- und Währungsgeschichte der letzten 150 Jahre, in der diese so kompetent und allgemeinverständlich dargestellt wird, wie es dem Wirtschaftsdozenten Barry Eichengreen im vorliegenden Werk gelungen ist. Es ist die ausdrückliche Intention des Verfassers, diese komplexe Materie sowohl interessierten Laien als auch hochspezialisierten Wirtschafts- und Währungsfachleuten näher zu bringen. Dabei werden sowohl die geschichtliche Entwicklung als auch die entscheidenden Wechselwirkungen internationaler politischer Währungsmaßnahmen bis zur Umsetzung des Delors-Planes und dem daraus folgenden Maastrichter Vertrag ins Blickfeld gerückt.

Das in chronologischer Abfolge verfaßte Buch gliedert sich in vier in sich geschlossene Hauptkapitel. Es beginnt mit dem Anfang des 18. Jahrhunderts von Großbritannien ausgehenden Goldstandard, der in seiner weiter entwickelten Ausprägung 1870 zur Einigung der europäischen Länder auf den Goldstandard mit festen internationalen Wechselkursen führte und bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges als Währungssystem währte. Es werden sehr anschaulich Funktionsweisen und Mechanismen  internationaler Währungszusammenarbeit sowie systemimmanente Stärken und Schwächen aufgezeigt, hauptsächlich entstanden durch einzelne nationale Währungsentscheidungen.

Im zweiten Kapitel wird „Die Instabilität der Zwischenkriegszeit“ beschrieben. Die verbindlichen Zusagen der Regierungen in den Währungsverfassungen vor 1914, daß inländische Zahlungsmittel auf Verlangen in bestimmte Goldmengen zu konvertieren waren, wurden durch den Ersten Weltkrieg abrupt beendet. Goldexporte wurden verboten bzw. nur noch mit besonderer Genehmigung der Regierungen erlaubt, weil das Edelmetall mittlerweile zur wichtigsten Ressource geworden war und verwendet wurde, um im Ausland kriegswichtige Güter kaufen zu können. Die Einzelstaaten beschafften sich ihre notwendige Liquidität zunehmend durch neue Steuern, Staatsanleihen und Ausgabe von Papiergeld ohne Gold- oder Devisendeckung. Nach dem Krieg war die zwangsläufige Folge dieser inflationären Entwicklung die Schaffung eines neuen Währungssystems mit der Rückkehr zu einem neuen Goldstandard. Ausführlich beschrieben werden hier die Probleme mit der neuen Golddevisenwährung, die Reaktionen auf die Weltwirtschaftskrise, die Bankenkrise und der folgende Zusammenbruch des internationalen Goldstandards.

In einem weiteren Abschnitt wird dann umfassend das „System von Bretton Woods“ beleuchtet, das 1946 die wechselvolle Geschichte des Goldstandards ablöste und feste Wechselkurse vorsah. Diese internationalen Abmachungen hielten bis 1973. Vor allem die in den 60er Jahren einsetzende internationale Kapitalmobilität und eine daraus folgende Liberalisierung des Kapitalverkehrs erhöhten den Druck, dieses Abkommen aufzugeben und zu frei schwankenden (floatenden) Wechselkursen überzugehen. Die Sonderrolle des Goldes wurde abgeschafft und die Mitgliedsländer verpflichteten sich, für stabile Wechselkurse durch geordnete Wirtschaftsbedingungen zu sorgen und mit der Ermächtigung des Internationalen Währungsfonds (IWF), die Politik seiner Mitglieder zu überwachen.

Im letzten Teil des Buches spannt der Verfasser den Bogen  „Vom Floating zur Währungseinheit“ der Europäischen Union. Neben Theorie, Praxis und Auswirkungen des Floating in den Volkswirtschaften der USA, Japans und Europas in den 70er und 80er Jahren werden die Kriterien, der Weg und die zeitbedingten wirtschaftlichen Krisen bis zum europäischen Währungssystem dargestellt.

Das Buch ist ein instruktives Werk, das sehr anschaulich die Wechselwirkung der durch zunehmende weltwirtschaftliche Verflechtung und anderer makroökonomischer Einflußfaktoren einzelstaatlich entstandene, volkswirtschaftliche Disharmonie und ihre anschließende Beseitigung durch ein Gegensteuern mittels währungspolitischer Eingriffe, prägnant widerspiegelt. Es ist eine gelungene Symbiose realer historischer und ökonomischer Entwicklungen, die teilweise so spannend sind, daß man sich geradezu in einen Wirtschaftskrimi versetzt sieht. Die Darstellung ist analytisch, fundiert und hinreichend systematisch und gibt einen umfassenden Überblick über die komplexe wirtschaftshistorische Thematik. Sowohl für jeden Wirtschaftshistoriker als auch für jeden, an globalen Währungs- und Wirtschaftsfragen interessierten Laien ein durchaus empfehlenswertes Buch also, das zudem aufgrund seiner Eloquenz echte Lesefreuden vermittelt.