Klassische Archäologie. Eine Einführung

Spürbare Veränderungen (I)

Seit langem hat die Klassische Archäologie einen festen Platz im Fächerkanon deutscher Universitäten. Während das öffentliche Interesse zumindest an sensationellen Neufunden und großen Sonderausstellungen ungebrochen ist, haben sich die Rahmenbedingungen für Forschung und Lehre in den letzten Jahren spürbar verändert. In dieser Situation ist eine Publikation zu begrüßen, die der kritischen Auseinandersetzung mit dem gegenwärtigen Zustand des traditionsreichen Faches gewidmet ist.

Die drei Herausgeber des Sammelbandes haben die deutsche Archäologie in den vergangenen Jahrzehnten als Forscher, akademische Lehrer und langjährige Mitglieder der Zentraldirektion des Deutschen Archäologischen Instituts mitgeprägt. Für die einzelnen Beiträge konnten namhafte Fachwissenschaftler aus dem In- und Ausland gewonnen werden. Sechs Aufsätze wurden aus dem Französischen, Englischen oder Italienischen übersetzt.

Das Buch soll in „die theoretischen Konzepte und praktischen Tätigkeiten, die Leistungen und Defizite“ der Klassischen Archäologie einführen, von einer systematischen Darstellung der einzelnen Denkmalgattungen wurde daher abgesehen. Nach der Einleitung (S. 7-21) mit einem knappen Abriß der Geschichte des Faches und einer Einschätzung seiner gegenwärtigen Lage aus der Sicht der Herausgeber folgen 20 nach übergeordneten Gesichtspunkten angeordnete Einzelbeiträge. Jeweils sechs Aufsätze sind unter den Überschriften „Erschließung, Sicherung, Präsentation“ (S. 23-106), „Bildwerke“ (S. 107-226) und „Kulturelle Räume“ (S. 227-344) zusammengefaßt. In zwei weiteren Beiträgen am Ende des Bandes werden neue Wege vorgestellt, die in der angelsächsischen und französischen Archäologie beschritten worden sind (S. 345-364).

Die in dem Buch angesprochenen wissenschaftlichen Ansätze lassen eine bemerkenswerte Vielfalt erkennen, daher wird jeder Leser andere Beiträge besonders anregend finden. Im ersten Abschnitt beispielsweise behandelt S. v. Schnurbein Ziele und Methoden der archäologischen Feldforschung, während sich L. Giuliani mit den Möglichkeiten und Problemen der Antikenmuseen beschäftigt und bedenkenswerte Lösungen anbietet. Zum Widerspruch reizen hingegen einige provokante Thesen von L. Schneider über Tourismus und Gesellschaft. In dem folgenden Abschnitt über Bildwerke sind alle drei Herausgeber mit Aufsätzen vertreten. Hervorgehoben sei hier der Beitrag von A.H. Borbein über Formanalyse. Borbein erläutert grundlegende Begriffe wie Form, Stil und Entwicklung, Typus und Struktur; dabei gelingt es ihm, komplizierte Sachverhalte in verständlicher Form zu erklären. Eher in einen Randbereich führt dagegen der mit „Gender Studies“ betitelte Aufsatz von N. Boymel Kampen in einen Randbereich; die Verfasserin kombiniert feministische Fragestellungen mit wissenschaftlicher Methodik. Im dritten Abschnitt des Bandes widmet sich u.a. G. Gruben der Klassischen Bauforschung. Er vermittelt ein anschauliches Bild dieses stärker von Architekten als von Archäologen geprägten Forschungszweiges, indem er die unterschiedliche historische Entwicklung der Bauforschung in den verschiedenen Ländern aufzeigt. Von nicht zu unterschätzender Bedeutung für die Klassische Archäologie sind die religiösen Grundlagen der antiken Kultur; J. de La Genière bietet einen interessanten Einblick in verschiedene Aspekte der griechischen Religion.

Auf die übrigen Beiträge des Sammelbandes soll an dieser Stelle nicht weiter eingegangen werden. Insgesamt zeichnen sich die meisten Texte durch ein hohes Niveau aus. Weiterführende Literatur ist entweder über Anmerkungen oder über eine Literaturliste am Ende des jeweiligen Textes zu erschließen, in den meisten Fällen ist beides vorhanden. Einheitlichkeit ist auch hier nicht gegeben, die Literaturlisten sind meist alphabetisch, manchmal aber auch thematisch geordnet; die Literaturauswahl ist unterschiedlich ausführlich und kann bis zu fünf Seiten umfassen. Die Bebilderung ist eher spärlich, ein Drittel der Aufsätze kommt ganz ohne Abbildungen aus.

Das Buch ist nicht in erster Linie als Anleitung zum Studium der Archäologie gedacht, vielmehr richtet es sich „an alle Leser, die von außen an das Fach herantreten und sich über seine wissenschaftlichen Möglichkeiten orientieren wollen“ (S. 19). Ohne Vorkenntnisse sind jedoch nicht alle Texte ohne weiteres verständlich. Zumindest in dieser Hinsicht muß der Untertitel „Eine Einführung“ als irreführend bezeichnet werden. Gerade ein fachfremder Leser hätte sich zweifellos auch über ein Glossar gefreut, das ihm die zahlreichen Fachbegriffe erklärt hätte. Und da manche Aspekte in verschiedenen Einzelbeiträgen zur Sprache kommen, wäre ein alphabetischer Index vielleicht ebenfalls sinnvoll gewesen. Nichtsdestoweniger stellt das Buch eine anspruchsvolle und anregende Lektüre dar, eine Einführung in das Studium der Klassischen Archäologie kann es allerdings nicht ersetzen.