Kleingeld
Die verborgene Seite des Geldes

Der Wirtschaftswissenschaftler Birger P. Priddat hat sich dem derzeit hochaktuellen Thema Geld sozusagen von unten genähert: Er präsentiert das lange vernachlässigte Thema 'Kleingeld' mit einer ganzen Fülle ansehnlicher Bilder und unterhaltsamer Geschichten. Dabei geht es unter anderem um Notgelder und Gutscheine, Spielbankjetons und LPG-Gelder, Revolutionsgelder und Flugmeilenprogramme, Pfandmarken und Geldkarten. Dies sind nur einige Beispiele aus einer bunten Palette, die der Autor in 116 Kapiteln zusammengestellt hat. Hierunter finden sich beispielsweise auch eingehendere Betrachtungen zur Verwahrung des Kleingeldes: Mit 'Geld kostet Geld' ist etwa das Kapitel 110 überschrieben, in welchem die Probleme von Kleinhändlern beschrieben werden, die sich seit 2004 mit erheblich gestiegenen Bankgebühren bei der Einzahlung von Münzgeld konfrontiert sehen.

Besonders zu erwähnen ist die gelungene Gestaltung des Buches. Einige 'Peanuts' auf dem Cover bilden den Auftakt zu einer Vielzahl sehr schöner Abbildungen der behandelten Kleingelder. Chinesische Geldscheine etwa, denen man deutlich ansieht, dass sie unzählige Male von Hand zu Hand gegangen sind, eröffnen dem Betrachter einen eindrucksvollen optischen Zugang zu dem Thema. Die über viele Jahre zusammengetragene Sammlung verschiedener Kleingeldvarianten zeigt, dass der Autor diesem sinnlichen Aspekt seines Forschungsfeldes sehr zugetan ist. Damit erhält das Buch auch eine autobiografische Note. Dies wird etwa deutlich, wenn Priddat über Wartezeiten an der Supermarktkasse klagt, weil manche Kunden nach dem passenden Kleingeld suchen: 'Und es dauert und dauert!' (S. 17) Diese Ungeduld wie auch seine Überlegungen zu einer effizienteren Abwicklung von Zahlungsvorgängen belegen, dass hier ein Ökonom am Werke war.

Dabei zeigt sich, dass Priddat wohl ein weit gereister Mann sein muss. Im Gegensatz zu den Pfennig- bzw. Centfuchsern in Deutschland geht man nach seiner Erfahrung in manchen mediterranen Ländern sehr viel großzügiger mit Wechselgeld um. Bei einem Besuch in Sambia erwies sich auch der Autor selbst als ein exakt kalkulierender Deutscher: Als dort bei einer Kreditkartenauszahlung der rechnerisch ermittelte Betrag abgerundet wurde, pochte der Autor auf sein Recht. Mit einiger Mühe fanden die afrikanischen Bankangestellten die fehlenden 20 Kwacha-Scheine, die sich jedoch als nutzlos erwiesen, denn '[m]an kann für 20 Kwacha nichts kaufen' (S. 20). Diese Aussage der Bankangestellten hatte Priddat nicht glauben wollen und fand sie dann doch bestätigt.
Kulturelle Unterschiede anderer Art erlebte der Autor in Finnland. Hier seien bargeldlose Transaktionen längst üblich; er habe selbst erlebt, wie 'Musikboxen von Kneipengästen per Handy bezahlt wurden' (S. 261). Das Beispiel illustriert auch seine Vision zur Zukunft des Kleingeldes: Das herkömmliche Kleingeld mag, nach dem Verlust seiner Funktion große Scheine zu wechseln, überflüssig werden.

Dieses Sammelsurium unterschiedlicher Varianten des Kleingeldes wird, für den Leser fast unmerklich, durch einige theoretische Einschübe strukturiert. Bei den Bonbons, die in Italien kurzzeitig als Ersatz für das knappe Wechselgeld herausgegeben wurden, handele es sich um 'Quasi-Geld'. Zu wirklichem Kleingeld würde es erst, wenn es von Dritten akzeptiert und somit zirkulieren würde. Alternativen Geldtheoretikern erteilt er eine klare Absage; Geld sei eben keine Ware. Dabei zeigt er, dass die etwa von Freiwirten als Beispiele für eine zinslose Wirtschaft angeführten lokalen Tauschgelder durchaus zukunftsweisend sind. Auch hier beschreibt Priddat eine ganze Reihe interessanter historischer und aktueller Beispiele.

Was bleibt zu kritisieren? Wohl fast jedem Leser oder jeder Leserin wird das eine oder andere Kleingeld einfallen, welches auch noch hätte angeführt werden können. Ein paar Zeilen über die Bedeutung des Klingelbeutels hätten sich sicherlich ebenfalls gut in dieses Buch eingefügt. Gleiches gilt für die Werke verschiedener Künstler, die sich dieses Themas angenommen haben. Diese Beispiele mögen genügen, um zu zeigen, dass es sich hier um ein sehr weit gestecktes Feld handelt. Dieses Buch behandelt das Thema nicht umfassend und systematisch, sondern nähert sich ihm in einer sehr persönlichen Art und Weise. In diesem Sinne ist es wunderbar gelungen.