Festvorbereitungen
Die administrativen und ökonomischen Grundlagen altägyptischer Feste

Einer der faszinierendsten Aspekte der altägyptischen Gesellschaft ist ihre reiche Festkultur. Ihre religiösen Aspekte sind Gegenstand der meisten Publikationen zu diesem Thema. Nicht so die vorliegende Dissertation von Zainab Sayed Mohammed, deren Interesse ausschließlich den 'administrativen und ökonomischen Aspekten der Vorbereitungsphase eines Festes' (S. 3) gilt. Vor diesem Hintergrund werden Darstellungen aus Tempeln und Gräbern sowie Kalender und Festlisten aber auch königliche, private und administrative Texte aller Epochen herangezogen, um Fragen nach dem Aufbau des Verwaltungsapparates, dem jeweiligen zeitlichen Rahmen der Vorbereitung, der Logistik und der Finanzierung zu beantworten.
Die Verfasserin arbeitet mit einer unspezifischen Definition, die lediglich zwischen 'Fest' und 'Feier' als zwei Kategorien unterscheidet; d.h. einem 'durchweg religiösen, öffentlichen und kalendarisch festgelegten' Ereignis und einem, dass 'privat, häuslich' und 'kalendarisch nicht festgelegt' ist (S. 10). Problematisch ist diese Festlegung deswegen, weil sie sich nur teilweise mit den Kategorien in Einklang bringen lässt, in die die Alten Ägypter ihre Feste zu unterteilen pflegten. Auch sie differenzierten zwischen einem offiziellen 'Fest' und einem 'schönen Tag', der eher privaten Charakter hatte. Jedoch fallen z.B. die monatlichen Tempelfeste aus der ersten Kategorie heraus, weil sie unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfanden. Ein Typ, der o.g. Kriterien eher erfüllt, sind die Prozessionsfeste. Auch hier spielt sich ein Teil des Geschehens notwendigerweise im Tempel ab, doch konnte die Bevölkerung an diesen Feierlichkeiten direkt teilhaben. Unter Berücksichtigung dessen bleiben zur Untersuchung die Feste 'religiösen oder politischen Charakters' (S. 1) übrig, die ein breiteres Publikum mit einbezogen, deren Vorbereitung auf längere Zeit hin geplant und durch ein spezielles Verwaltungssystem übernommen wurde. Die zur Disposition stehenden Punkte ziehen eine weitere, implizite Eingrenzung nach sich, die sich auf den zeitlichen Rahmen bezieht. Die Fragen sind so gestellt, dass sie erst unter den Bedingungen des Neuen Reiches wirklich greifbar werden und damit ist das eigentliche Feld der Studie abgesteckt.
Die Untersuchung selbst besteht aus zwei Hauptkapiteln, von denen sich das erste mit den Vorbereitungen außerhalb des Tempels, wie der Ankündigung des Festes und Überbringung der Einladungen, dem Bereitstellen von Unterkünften und Verpflegung für die Gäste, der Beschaffung des Festbedarfs im In- und Ausland und seiner Finanzierung befasst, wobei die Schiffsreise des König zum Festort einen eigenen Schwerpunkt bildet. Dieser Abschnitt endet mit Überlegungen zu den Auswirkungen des zu Festzeiten erhöhten Bedarfs an Konsum- und Luxusgütern auf den Binnen- und Außenhandel. Der zweite Teil wendet sich den Vorgängen innerhalb des Tempels zu und beschreibt zunächst die Maßnahmen zur Herrichtung des Tempels als zentralen Festort und weiter die Bestellung, Verwaltung und Kontrolle der Opfergaben und des Festbedarfs. Qualitativen und quantitativen Angaben zu den Opfersubstanzen und deren Weiterleitung ist ein eigener Unterpunkt gewidmet, ebenso den Vorgängen am Vorabend des Festes und zwar insofern, als das es sich um 'eher praktische Gründe' (S. 139) der Vorbereitung handelt.
Die Stärke dieser Studie liegt in ihrer Thematik, ihre Schwäche in der Methodik. Eine Betrachtung der ökonomischen Seite des Festes ist obligat, doch unter der Prämisse, die religiösen Aspekte zu ignorieren, unzulässig. In diesen Zusammenhang gehört auch der bedenkenlose Umgang mit den Begriffen des Sakralen und Profanen, der zu teils gravierenden Fehleinschätzungen führt:  'Man wollte die Untertanen versorgen und nicht zuletzt auch beeindrucken. Es liegt daher nahe anzunehmen, dass die Verzehrung der Opfer bei großen Festen durch den Festteilnehmer eher einen weltlichen als einen sakralen Charakter besaß.' (S. 46).
Zum Schluss ihrer Untersuchung hält die Verfasserin fest, 'dass die Feste nicht nur einen religiösen Charakter trugen, ' sondern dass sie daneben auch rein weltliche Funktionen innehatten' (S. 147) und dass sie 'neben der Verfolgung religiöser, politischer und wirtschaftlicher Ziele ' auch eine gesellschaftliche Komponente berücksichtigt zu haben [scheinen]' (S. 148). Diese Ergebnisse sind folgerichtig, dürften aber als hinlänglich bekannt gelten. Marcel Mauss z.B. spricht vom Fest als einem 'totalen Phänomen', in dem alle Institutionen einer Gesellschaft, wie Religion, Politik, Recht, Moral und Ökonomie gleichzeitig zum Ausdruck kommen (Essai sur le don, Paris 1925. Dt. Übers.: Die Gabe, Frankfurt/Main 1994) und im Rekurs auf seinen Lehrer, definierte es Roger Caillios als religiösen und ökonomischen Kulminationspunkt, anlässlich dessen Güter zirkulieren, große Märkte stattfinden und aus Prestigegründen angehäufte Vorräte verteilt werden (L'homme et le sacré, Paris 1950. Dt. Übers.: Der Mensch und das Heilige, München 1988). Es wäre sehr begrüßenswert, diese Studie durch weitere ergänzt zu sehen, die in der besonderen Dynamik und Komplexität des Festes ihren erklärten Ausgangspunkt nehmen.