Pest
Die Geschichte eines Menschheitstraumas

Pest ' wohl kaum ein anderes Wort beschreibt die Urangst der Menschheit vor der unbesiegbaren Seuche besser und steht somit als Synonym für die unkalkulierbare und unkontrollierbare Krankheit, auch wenn diese seit längerem schon behandelbar ist. Selbst heute noch, wo Krankheitsursachen und Übertragungswege bekannt sind und die Pest prinzipiell als besiegt gilt, reagieren Menschen mit Panik und es kommt zu Massenhysterien, sobald ein Krankheitsverdacht besteht.
Das Buch beschreibt das durch ein Bakterium ausgelöste Krankheitsbild, entfaltet die sozialen Folgen und physischen Auswirkungen und begibt sich dabei anhand von Zeitdokumenten und Aufzeichnungen auf eine Spurensuche über den 'Schwarzen Tod' im ausgehenden europäischen Mittelalter, die 'Justinianische Pest' im antiken Byzanz bis zurück ins Altertum, wo der Begriff 'Pest' jedoch als 'Seuche allgemein' gewertet werden muß, da die retrospektive Diagnose anhand der Literaturstudie oft kein eindeutiges Krankheitsbild zuläßt. Der bakteriologische Nachweis im Sinne der Paläopathologie ist hier bislang nicht möglich gewesen. Da auch Massensterben, die zum Beispiel durch toxische Substanzen im Getreide ausgelöst wurden - also keine Infektionskrankheit darstellen - beschrieben werden, kann man auch von einem Buch sprechen, das Massenerkrankungen in der Geschichte behandeln.
Im Laufe der Zeit veränderten sich Wahrnehmungen, Verhaltensregeln, Erklärungsmodelle und Heilmethoden verschiedener Krankheiten. Wurde Krankheit in der Antike noch verbreitet als von Gott auferlegte Strafe oder Prüfung gedeutet, so findet man noch bis ins späte 19. Jahrhundert  verbreitet die Miasma-Theorie, derzufolge schädliche Ausdünstungen aus Luft und Wasser massenhafte Erkrankungen auslösen, bevor mit Koch, Pasteur u.a. dann der medizinische Siegeszug gegen die Krankheiten begann.
Das Buch beschreibt auch, wie Epidemien zu fast jeder Zeit von Pogromen begleitet waren und wie diese politisch genutzt wurden, wie Verschwörungstheorien entwickelt und Brunnenvergifter benannt wurden. Seuchen machen Geschichte, und diese Geschichte ist auch vielfach dargestellt in Kunst und Literatur. Auch hierüber finden sich zwei Kapitel, die, illustriert mit farbigen Abbildungen und Textbeispielen, einen Einblick in die konkrete Wirklichkeit geben.
Welche Voraussetzungen fand die Pest im ausgehenden Mittelalter, daß der 'schwarze Tod' seinen katastrophalen Siegeszug über ganz Europa antreten konnte, und welche Stellung nimmt die Religion bei der Deutung dieser Heimsuchungen ein? Diese und ähnliche Fragen finden hier eine Antwort.
Die Pest mag scheinbar besiegt sein, und nach der Kraftanstrengung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) in den 60er und 70er Jahre, die zur Ausrottung der Pocken geführt hat, dachte man schon an eine seuchenfreie Zukunft, doch die Geschichte der Menschheit wird wohl immer auch eine Geschichte tödlicher Epidemien bleiben.
Das Buch, das vom Tübinger Althistoriker Meier herausgegeben wurde, verzichtet auf medizinische Fachausdrücke und richtet sich somit an ein nichtwissenschaftliches Publikum (wenngleich es über 100 Seiten Endnoten und Register enthält.. Die einzelnen Beiträge der am Buch beteiligten Autoren wurden vom Herausgeber bewußt nicht zu einer Einheitlichkeit harmonisiert, was dazu führt, daß einzelne Themen aus verschiedenen Blickwinkeln (in verschiedener Weise) beleuchtet werden.
Die Spuren, die die Pest durch ihr maßloses Wüten in der Vergangenheit im kollektiven Unterbewußtsein der Menschen und in dem, was sich Geschichte nennt, hinterlassen hat, sind vielfältig; einen gelungenen Überblick hierüber gibt dieses Buch.