Seefahrt in der Antike
Das Schiffswesen bei Herodot

In den letzten Jahren läßt sich in verschiedenen geisteswissenschaftlichen Disziplinen eine Zunahme einführender Monographien verzeichnen. Unter dem Titel 'Seefahrt in der Antike' referiert Arvid Göttlicher auf 135 Seiten über die unterschiedlichen Aspekte antiker Seefahrt, die Herodot in seinem Werk 'Historien' erwähnt. Ein einleitendes Kapitel über den griechischen Historiker, sein Werk und seiner Stellung in der antiken Historiographie stimmt den Leser auf das geschichtliche Umfeld ein. Es schließen sich 8 Seiten 'bibliografische Orientierung' und ein 15 Seiten umfassendes Literaturverzeichnis an. Ein Sach- Orts- und Namenregister sowie eine Belegstellenauswahl (leider ohne Stichworte versehen) runden die Arbeit ab.
Herodot, der 'Vater der Geschichte' (Cicero), berichtet über zahlreiche Themen. Sein ethisch-narrativer Stil ist für den heutigen Leser von Gedankensprüngen gekennzeichnet - oft erscheint er daher unkonzentriert und unsystematisch. Desweiteren werden die von ihm angesprochenen Themen nicht einheitlich und ' wie von der heutigen Leserschaft gewünscht ' in ihrer Gänze besprochen. Insbesondere nautische Hinweise sind spärlich, eine Tatsache, weswegen Arvid Göttlicher bei der Darlegung seefahrtsrelevanter Aspekte letztendlich nicht allein auf die 'Historien' von Herodot zurückgreift, sondern auch andere Quellen hinzunimmt. Umfassend legt er dabei seine profunden philologischen Kenntnisse dar - archäologische Funde und Befunde werden zur Illustration nur selten herangezogen. Hier fällt der meist alte Forschungsstand auf, da neuere Befunde keine Erwähnung finden. Es ist das besondere Verdienst von Arvid Göttlicher die zahlreichen versteckten Hinweise unterschiedlicher Details (u.a. Schiffstypen und -teile, Ausrüstungsgegenstände, Expeditionen, Kanalbauten, Mythen und nautische Religionspraktiken) zu einer Gesamtsicht zusammenzufügen. Unter seiner Feder verwandeln sich die einzelnen Kapitel zu kleinen Essays in denen die verschiedenen Aspekte ' dem Vorbild Herodot gemäß ' in Gedankensprüngen und mit zahlreichen Exkursen verflochten diachron wie synchron besprochen werden. Dadurch kommt es gelegentlich zu thematischen, redundanten Überschneidungen zwischen den Kapiteln.
'Seefahrt in der Antike' lautet der Titel: Das populärwissenschaftliche Kleid in dem dieses Buch daherkommt trügt, denn erst dem Untertitel entnimmt der Leser, daß der Buchinhalt zeitlich wie auch quellentechnisch begrenzt ist (s.o.). Während Herodot im Prooemium die Motive für seine Geschichtsschreibung darlegt, gibt Arvid Göttlicher jedoch in dieser Hinsicht der Leserschaft keine Auskunft. Sollte dies ein philologisch-archäologischer Kommentar zu Herodot sein? Oder gar ein nautischer Kommentar zu den 'Historien'? Auch die anzusprechende Zielgruppe läßt sich nicht ausmachen.
In seiner Gestaltung erscheint das Werk nicht aus der Manuskriptphase weiterentwickelt. Zahlreiche Textmerkmale erschweren das flüssige Lesen: der zum Teil angewandte Telegrammstil, die redundanten Erklärungen und Epitheta, die über weite Passagen zahlreichen Einfügungen in einer nicht erkennbaren Hierarchie von Klammerstellungen. Das stringente Anwenden von Fuß- bzw. Endnoten sowie eine einheitliche Zitierweise hätten hier schon erheblich zum Lesekomfort beigetragen. Irritierend wirken auch die bibliografischen Verweise (auch diese wieder im Fließtext) anstelle von museologischen Verweisen (Aufstellungsorte) bei den in der Besprechung angeführten Objekten. Fazit: Trotz seiner inhaltlichen Fülle und Konsistenz ist dies ein sehr ambivalentes und heterogenes Buch ' als Lesebuch für den interessierten Laien in seiner Dichte schwer verständlich und für den Fachmann in seiner vorliegenden Form als Nachschlagewerk nur bedingt handzuhaben.