Wie können im 'Land der Täter' Literatur und Film zum Verständnis des Holocaust und seinen Folgen beitragen? Zur Beantwortung dieser Frage widmet sich Hans-Joachim Hahns Studie der Form und Wirkung von Darstellungen nicht-jüdischer Nachgeborener, bei denen er aufgrund der erinnerungskulturellen Zugehörigkeit bestimmte Befangenheiten annimmt. Diese Ressentiments in den zeitgenössischen Darstellungen bezögen sich auf das deutsch-jüdische Verhältnis, den populär-kulturellen Umgang mit dem Holocaust sowie auf dessen öffentliche Bewertung und historische Einordnung (vgl. S. 24).
Der Untersuchungszeitraum soll mit dem Jahr 1979 beginnen, das durch die Ausstrahlung des US-amerikanischen Vierteilers 'Holocaust' eine Zäsur in der bundesrepublikanischen Auseinandersetzung mit der Vergangenheit darstellt. In der Heftigkeit der öffentlichen Reaktionen auf die Serie sieht der Autor das Erschrecken nachgeholt, das nach 1945 ausblieb (vgl. S. 30). Ein weiterer Einschnitt sei die deutsche Wiedervereinigung, die bislang jedoch nur den Beginn einer noch unabgeschlossenen Übergangszeit für die deutsche Erinnerungskultur markiere. Bei der Auswahl der behandelten Werke ließ sich Hahn von der Vorstellung leiten, 'dass Erinnerungskultur idealerweise auch Streitkultur sein sollte' (S. 36), weshalb er seine Untersuchungsgegenstände nach dem Kriterium gesellschaftlich 'umstritten' auswählt. Desweiteren geht es ihm gemäß eines Ansatzes aus der qualitativen Soziaforschung, der in seiner Modifizierung auf das 'Feld der Kultur' nicht weiter ausgeführt wird, um 'die gezielte Auswahl möglichst unterschiedlicher Schreibweisen' (S. 35). So erstreckt sich die Untersuchung der Studie von Hans Jürgen Syberbergs Film 'Hitler' (1977), über die Romane von Anne Duden ('Das Judasschaf', 1985), Ulla Berkéwicz ('Engel sind schwarz und weiß', 1992) und Bernhard Schlink ('Der Vorleser', 1995) bis abschließend zu essayistischen Äußerungen Martin Walsers ('Unser Auschwitz', 1965, und 'Auschwitz und kein Ende', 1979), wobei die jeweiligen Darstellungen in Bezug zu weiteren Äußerungen der Autoren und öffentlichen Reaktionen gestellt werden.
Im Schlußkapitel 'Die (un)heimliche Erinnerung' konstatiert Hahn eine ',beschädigte' Erinnerungskultur' (S. 276), bei der überwiegend eine 'Sprache des Schweigens' (Schlant) bezüglich des Holocaust zum Tragen kommt. Dabei artikuliere sich '' teilweise hinter dem Rücken der AutorInnnen ' eine Widerständigkeit gegen die ungebrochene Fortsetzung deutscher Nationalgeschichte' (S. 276), indem eigene Erfahrungen und kulturelle Überlieferungen ineinander verarbeitet werden (vgl. 280). Für die 'kumulative Heroisierung' (Welzer) der Rolle von Eltern und Großeltern während des Nationalsozialismus sieht Hahn in ''medialen' Anschauungen des Holocaust ' damit sind eben auch US-amerikanische Spielfilme gemeint '' ein Korrektiv gesetzt (S. 281). Denn gerade populärkulturelle Darstellungen, 'die ebenso Gefühle ansprechen, wie sie Reflexionen und Wissen herausfordern' (S. 282), hätten sich verdient gemacht. Von diesen sei möglicherweise mehr zu erwarten hinsichtlich eines aufklärerischen Weitererzählens des Holocaust 'als von neuen Romanen nichtjüdischer Autoren aus Deutschland' (S. 283).
Obwohl Hahn seine Arbeit im 'Spannungsfeld verschiedener methodischer und theoretischer Zugänge' (S. 47) verortet wissen will, bleibt dem Leser unklar, von welchem theoretischen Rahmen er ausgeht und welche Analysekategorien die Beurteilung der jeweiligen Texte intersubjektiv nachvollziehbar werden lassen sollen. So wird zwar vor allem kritisch auf die literaturwissenschaftlichen bzw. erinnerungstheoretischen Überlegungen u.a. von Mattenklott (1993), Novick (2001 ' aus der Bibliographie geht leider der Titel dieser u. a. Publikationen nicht hervor), Welzer (1997), J. Assmann (1997) und besonders A. Assmann/Frevert (1999) eingegangen. Jedoch aus den von Hahn diagnostizierten jeweiligen Schwächen ('mir [scheinen] die Gedächtnistheorien von Jan und Aleida Assmann in einer Affirmation 'deutscher Erinnerungskultur' zu bestehen', S. 90), werden keine Konsequenzen in Form von theoretischen Gegenentwürfen oder Differenzierungen gezogen. Da die untersuchten Werke aufgrund ihrer Darstellungsmodi Thema öffentlicher Kontroversen waren, drängt sich der Eindruck auf, daß das Auswahlkriterium 'umstritten' den abschließenden Befund zur zeitgenössischen Erinnerungskultur prophezeit. Nichtsdestoweniger weiß der äußerst kritische Blick Hahns sowohl auf wissenschaftliche Auseinandersetzungen mit der zeitgenössischen Erinnerungskultur als auch auf die 'umstrittenen' filmischen und literarischen Werke der Studie zum Überdenken geläufiger Theoreme anzuregen.