Die traditionelle Gattungstrias von Lyrik, Epik und Dramatik steht in der Literaturtheorie bereits seit einigen Jahren auf dem Prüfstand: Transgenerisch oder intermedial ausgerichtete Ansätze der postklassischen Narratologien etwa (vgl. exemplarisch die von A. & V. Nünning 2002 herausgegebenen Bände 'Neue Ansätze in der Erzähltheorie' und 'Erzähltheorie transgenerisch, intermedial, interdisziplinär' sowie die de Gruyter-Reihe 'Narratologia' (2003ff.), hg. v. J. Pier, F. Jannidis und W. Schmid) rücken zunehmend von einer getrennten Betrachtung und Theoretisierung der literarischen Hauptgattungen ab. Die Entwicklung eines gattungsübergreifenden Beschreibungsmodells für zwei dieser Hauptgattungen, nämlich Epik und Dramatik, ist angesichts der Verbreitung ‚erzähl-analoger‘ (epischer) Techniken sowie der Präsenz narrativer Elemente nicht nur im Drama des 20. Jahrhunderts, sondern auch in der älteren Dramatik, desiderat. Unter dem von Dietrich Weber geprägten Oberbegriff der 'Geschehensdarstellung' setzt die 2003 erschienene Monographie von Holger Korthals nun zu einer gemeinsamen Betrachtung von Drama und Erzählung an. Diese erweisen sich, so Korthals’ zentrale These, aus einer an Gérard Genette angelehnten ‚architextuellen‘ Perspektive als 'zwei eng verwandte ‚Proto-Gattungen‘ der literarischen Geschehensdarstellung' (S. 12), für die Geschehensvermittler und -teilnehmer gleichermaßen konstitutiv sind. Den Nachweis einer gemeinsamen 'Tiefenstruktur' (ebd.), welche Modi dramatischer und narrativer Geschehensdarstellung von deskriptiven und argumentativen Texten abgrenzt, erbringt Korthals, indem er die von dyadischen und triadischen Gattungstheorien aufgestellten Differenzkriterien dramatischer Texte in Bezug auf Stoff bzw. Inhalt, Aufbau und Wirkung nacheinander widerlegt. Einzig in der Aufführungsbestimmung des Dramas, die sich an der Textoberfläche als Aufteilung in Haupt- und Nebentext manifestiert, zeigt sich eine mediale Differenz zwischen dramatischem und narrativem Modus der Geschehensdarstellung. Korthals zufolge handelt es sich hierbei allerdings nicht um einen tiefenstrukturellen Unterschied, da der Nebentext im Drama, funktional gesehen, strukturelles Äquivalent der Erzählerrede in narrativen Texten ist. Dies demonstriert Korthals im Zuge seiner von Genettes Erzähltheorie ausgehenden Modifikation des Rede- und Zeitkriteriums, die in einer gattungsübergreifenden Typologie der Formen der Rede in geschehensdarstellender Literatur mündet (Kapitel IV.2). Deren Kategorien ermöglichen es Korthals auch, Bauformen dramatischer Texte in das übergeordnete System literarischer Geschehensdarstellung einzuordnen (Kapitel V). Die beiden letzten, über Genette hinausgehenden Kapitel VI und VII beinhalten die innovativsten Aspekte der Studie, wie beispielsweise Korthals’ Überlegungen zur Metaisierung sowie der Entwurf eines von überkomplexen narratologischen Modellierungen ‚entschlackten’ gemeinsamen Kommunikationsmodells für Drama und Erzählung. Daß Korthals’ Einschränkung des dramatischen Modus auf Geschehensdarstellung sowie die Weber entlehnten anthropomorphisierten Begriffe von Geschehensteilnehmer und -vermittler die Anschlußfähigkeit seiner Theorie im Hinblick auf handlungsarme und subjekt-dezentrierte Texte verhindert, ist gerade angesichts der Fülle von zeitgenössischen nicht (bzw. post-) dramatischen Theatertexten dieser Art bedauerlich. Mit seinem Transfer erzähltheoretischer Modelle auf das Drama vermag Korthals’ Studie einer transgenerisch und intermedial ausgerichteten Erzählforschung jedoch wertvolle Impulse zu geben.