Legendäre Reisen in Ägypten

Die altägyptische Kultur hat die Menschheit schon immer fasziniert. Reiseberichte über Ägypten und die Auseinandersetzung mit der vorchristlichen Kultur finden sich seit der griechischen Zeit. Schließlich entstand in Verbindung mit der Besetzung Ägyptens durch Napoleon Bonaparte 1798-1801 das Werk 'Description de l'Egypte', das bereits 1809 veröffentlicht worden war. Daran waren etwa 500 Personen beteiligt, die sowohl die antiken Hinterlassenschaften als auch das zeitgenössische Leben und die Natur dokumentierten. Hinzu kam die Entzifferung der Hieroglyphen durch J. F. Champollion anhand des Steins von Rosette. All diese Ereignisse lösten eine große Ägyptenbegeisterung aus. Die anschließenden Reisen an den Nil hielten viele Personen in Wort und Zeichnung fest. Ab 1839 kam ein neues Medium, die Photographie hinzu. Hauptziel war es ,dieses neuen Medium zu Dokumentationszwecken zu erproben und einzusetzen. An dieser Stelle setzt das Buch 'Legendäre Reisen in Ägypten' ein.
Das Buch von R. Sole und M. Walter umfaßt 320 Seiten mit über 200 Aufnahmen und gehört zu einer Reihe von Bänden, die in ähnlicher Weise auch Länder wie Deutschland oder Frankreich durchleuchten. 'Legendäre Reisen in Ägypten' ist vor allem ein Buch über alte Ägyptenaufnahmen untermalt von zeitgenössischen Reiseeindrücken. Im Mittelpunkt steht das Erlebnis der Reise mit seinen Möglichkeiten und seinem Wandel im Laufe der Zeit schwerpunktmäßig von etwa 1830 bis 1920. So erfährt man, daß die Fahrten zunächst noch ein Abenteuer mit einem kleinen Schiff wie einer Dahabija war - stromaufwärts teilweise von den Fellachen gezogen - und ab den 1870er Jahren durch die Dampferkonzession von Thomas Cook zu einer konventionellen Angelegenheit wurde, die den Massentourismus auslöste. Schließlich wurden zu Anfang des 20. Jh.s Luxushotels an den wichtigsten und malerischen Orten Ägyptens wie das Shepheards in Kairo oder in Assuan das Old Cataract gebaut. Auf den Bildern sind die Reisenden vor Altertümern, im Hotel, am Schiff, auf Eseln, Kamelen oder in einer Sänfte zu sehen.
Verfolgen kann man den Reiseweg an Hand der Kapiteleinteilung die von Alexandria, Kairo, Port Said, dem Katharinenkloster auf dem Sinai schließlich Nil aufwärts über Mittelägypten mit dem Schwerpunkt Luxor bis Assuan und abschließend nach Abu Simbel führt.
Die insgesamt 7 Kapitel - abgesehen von jeweils einer kleinen Einleitung - sind mit Abbildungen und Texten versehen. Hierzu werden Textpassagen besonders von Ägypten bereisenden Schriftstellern wie F. Flaubert, R.M. Rilke, R. Kipling, M. Twain oder A. Christie herangezogen. Diese Texte können auch teilweise Eingang unter die sehr exakten Bildunterschriften der über 200 Photos finden. Neben den Reisezitaten machen 2/3 des Materials alte Photos etwa der Zeitspanne von 1850 bis 1910 aus. Der größte Teil des verbliebenen Restes zeigt das heutige Ägypten in Farben. Alle namhaften Photographen jener Epoche sind mit Photos über Land und Leute sowie Altertümer vertreten: u.a. M. du Camp, A. Beato, H. Berchard, F. Bonfils, F. Frith, W. Hammerschmidt, G. Lekegian, P. Sebah und die Gebrüder Zangaki. Zu bestaunen sind so die Hafenanlagen von Alexandria, Kairo in all seiner Vielfalt, Luxor mit seinen antiken Grabungsstätten wie auch Assuan noch als kleiner Ort. Zu entdecken gibt es selbst für den Kenner von alten Ägyptenaufnahmen noch einiges. Haften bleibt die einsame Lage der Pyramiden von Giza oder das Überschwemmungsgebiet, das in Theben-West einst fast bis an die Totentempel reichte.
Vervollständigt wird das Thema durch Landkarten zu Beginn jedes Kapitels, durch Bildmontagen u.a. von Büchern, weiter durch teilweise kolorierte Postkarten, Kofferaufkleber, Eintrittskarten, Menükarten und Fremdenverkehrsprospekte. Diese wurden auch teilweise als kleinformatige Reproduktionen zwischen die Seiten geheftet.
Neu an diesem Band, abgesehen von der sehr großen Anzahl von Photos, ist die Kombination des Themas 'Reisen und Erleben' mit alten und neuen Photos, Reiseberichtzitaten, Beschreibungen der Photos und eingelegter kleinformatiger Reiseutensilien, die den Eindruck vermitteln, man schaue sich ein privates Reisealbum an. Photobände, dieser ist es vornehmlich, pflegen Aufnahmen entweder durch die gängigen stereotypen Bilderläuterungen oder durch Reiseberichtzitate zu unterfüttern. Neu in diesem Zusammenhang ist auch der Einschub von kleinformatigen Reiseutensilien. Inwieweit dies zwischen zwei großen Photos dem Betrachter gefällt, muß dieser selbst entscheiden.
Unübersehbar ist, daß das Buch aus dem Französischen übersetzt ist. So geht die Gewichtung eher zu französischen Ägyptenreisenden bei aller Internationalität der Zitate. Ägyptologen, abgesehen von A. Mariette, G. Maspero und R. Lepsius, treten nicht in Erscheinung, wie auch die Behandlung der altägyptischen Kultur nicht zu diesem Buch gehört.
M. Walter, einer der Autoren, ist Photograph und Sammler alter Photos. Entsprechend ist die Auswahl. Leider, dies mag am vorhandenen Photomaterial liegen, werden einige Gebiete Ägyptens nur gestreift, wie der Sinai, und Mittelägypten mit großen Schritten durcheilt. Auch ist es nicht glücklich gelungen, daß etwa 160 Seiten, also ungefähr die Hälfte des Buches, sich Alexandria und Kairo widmen, und die restlichen Seiten dem flächenmäßig viel größeren Gebiet, u.a. ganz Mittel- und Oberägypten umfassend, zugedacht sind.
Insgesamt ist es sowohl zum Anschauen als auch zum Lesen ein sehr unterhaltsames Buch. Genauso amüsiert das Photo der Sänftenträger mit dem Europäer, der Hinweis auf eine Bordbibliothek bei der Überfahrt nach Alexandria zur Fortbildung wie auch der Ratschlag, viel Kleingeld in der Hosentasche für Bagschisch zu haben, ein heute immer noch aktuelles Thema.