Paracelsus, Septem Defensiones

Paracelsus, eigentlich (Philippus) Aureolus Theophrastus (Bombast) von Hohenheim, kann als unsteter Mediziner mit revolutionärem Potential charakterisiert werden. Beides geht bei dem gebürtigen Schweizer Hand in Hand: gegen die scholastische Einstellung der Medizin im 16. Jahrhundert wetternd, stellt er das naturwissenschaftliche Experiment über die Buchkunde (perscrutamini naturas rerum), was verbunden mit Schmähung und Verfolgung zu einem erzwungenen Wanderleben führt ' dieses 'lantfaren' aber erst macht ihn in seinen eigenen Augen zum Wissenschaftler, der aus immer anderen Blickwinkeln neue Erkenntnisse erfahren darf und niederschreibt (vgl. Paracelsus‘ Die vierdte Defension).
Sein medizinhistorisches Bekenntnis schmiedet er ' ganz im Stile der Zeit ' in eine Apologie, wo er anonymen Kritikern, der Welt und sich selbst Rechenschaft über seine Motivation und sein Handeln gibt. 'Ein Ich, die erste Person Singular, steht dafür ein, Gott und die Wahrheit sind Zeugen' (S. 9). Seine Verteidigung verpackt er in sieben Bündel, die lose aufeinander aufbauen: Defension 1 entwirft das theoretische Grundgerüst nach Paracelsus' Vorstellungen, Rede 2 beschreibt Krankheiten, die um die im heutigen Sinne psychischen Erkrankungen erweitert sind. Die dritte Verteidigung geht auf medikamentöse Behandlungsmethoden ein. Am persönlichsten erscheint Paracelsus im folgenden Abschnitt, wo er von seinem eigenen Lebensweg ausgehend seine allgemeine Wissenschaftsdefinition vorstellt. Defension 5 richtet sich gegen die von ihm sog. 'falschen' Ärzte, woran er in Rede 6 seine vorgetragene Kritik nachhaltig und vielschichtig rechtfertigt. Die letzte Verteidigung relativiert die überkommene Definition des Heilens und zieht die nach Paracelsus' unüberwindlichen Grenzen gesetzt durch den Willen der Natur und vor allem Gottes, die kein Arzt zu überschreiten vermag.
Septem Defensiones erschien erst posthum 1564; die Hoffnungen des 1541 verstorbenen Autors, an erster Stelle wohl das Mäzenatentum der Kärntnischen Landstände für die Drucklegung seiner Werke, hat es nicht erfüllen können. Wohl aber hat Gunhild Pörksen mit vorliegender Ausgabe eine benutzerfreundliche, sehr hervorragend gestaltete wie aufgearbeitete Textedition erarbeitet, und sich damit der eigentlichen Zielsetzung Paracelsus' ' wenn auch verspätet ' in vorbildlicher Weise angenommen. Etwa 30 Seiten Einleitung und 70 Seiten Reprint (der Ausgabe 1589) mit Übertragung, zusätzlich Biographie, Werke und Literatur hinterlassen zu Recht den Eindruck, eine rundum gelungene wie preisgünstige Bearbeitung der Paracelsus-Schrift zur Hand zu haben. Die neusprachliche Übersetzung des frühhochdeutschen, mit schweizer Dialektworten durchzogenen Textes ist flüssig lesbar, bildet die sprachliche Intention des mittelalterlichen Autors sehr gut ab und ist zudem um die Bibelzitatstellen ergänzt (im Zeitalter, wo die Heilige Schrift nicht mehr den kulturellen Hintergrund bildet wie vor 500 Jahren, eine willkommene Zutat).
Diesen inhaltlich positiv zu wertenden Aspekten muß noch die verlegerische hohe Qualität angeschlossen werden (optisch ansprechend gestaltet, eine sehr gute Wiedergabe des Reprints). Mediziner, Medizinhistoriker, Theologen und Mittelalterkundler bilden sicher das Gros des Interessentenkreises, aber auch, wer sich kulturgeschichtlich um die Entwicklung hin zur Moderne interessiert, sollte dieses Buch zur Hand haben.