Handbuch der Mediengeschichte

Das Handbuch in Buchform wird zunehmend zum Anachronismus. Helmut Schanze weiß das natürlich auch, doch der Germanist in ihm war (noch) stärker als der Medienwissenschaftler. Und das, obgleich mit dieser Publikation ein Sonderforschungsbereich abgeschlossen wird, dessen Titel 'Bildschirmmedien' Zukunftsorientierung verheißt. Diese mediale Inkonsequenz ist einerseits der nicht unproblematischen Mäeutik germanistischer Provenienz bei der Erforschung der Medien geschuldet, sie hat andererseits den Vorteil, jene 'neuen Analphabeten' ansprechen zu können, die in den so genannten Geisteswissenschaften noch immer mit unverhohlener Medieninkompetenz dominieren.
Germanistische Einflüsse schlagen aber auch positiv zu Buche. Wie hier der aktuelle Stand medienhistorischer Forschung aufgearbeitet wird, systematisch wie historisch, instrumentalisiert überaus sachdienlich das einschlägige Inventar der Germanistik.
Das geschieht in einem Dreischritt, beginnend mit historisch maßgebenden medientheoretischen, medienanalytischen sowie medienästhetischen Konzepten, gefolgt von Beiträgen über Medienpsychologie, Mediensoziologie und Medienpädagogik, ergänzt durch solche über Medienrecht und Medienökonomie.
Den nächsten Schritt geht Schanze mit dem Entwurf einer, wie er sie nennt, 'integralen Mediengeschichte'. Hierbei handelt es sich um eine Wechselwirkungsgeschichte der Medien von der Erfindung der Schrift bis zu den Digitalmedien. Was er in diesem Zusammenhang an medienrelevanten Traditionslinien, vor allem rhetorischer Art, aktualisiert, neu verknüpft, um die Koevolution der Medien und Intermedialität mediengeschichtliche adäquat zu- und einzuordnen, das ist geeignet, die Historizität der Medien und der entsprechenden kulturellen Dimensionen in einen Wissenschaftskontext zu stellen, der medienwissenschaftlicher Forschung insgesamt förderlich sein kann.
Da diese 'integrale Mediengeschichte' ihre Grenze dort findet, wo die Spezifik des jeweiligen Einzelmediums beginnt, ist es nur folgerichtig, daß im dritten und letzten Schritt eine Grenzüberschreitung gewagt wird, die exemplarisch auf die zu leistenden Forschungsaufgaben verweist. Die hier vorgestellten Arbeitsschwerpunkte betreffen Literatur, Theater, Musik und Bildkünste ebenso wie Druck, Film, Hörfunk und Fernsehen, last not least die Digitalmedien.
Alle Beiträge sind mit sachdienlichen Literaturangaben versehen. Den Band komplettieren ein Personen- sowie ein Sachregister.
Redundanzen werden bedingt einerseits durch die Konzeption, andererseits durch die immerhin zwanzig Beiträger(innen), doch störend wirken sie nicht, im Gegenteil: Sie verleihen der jeweiligen Information zusätzliche Perspektiven, ' und das auf durchweg hohem wissenschaftlichen Niveau.
Bleibt zu wünschen, daß die medienpraktische Darbietung dieses medienhistorischen Ansatzes in ihrer nächsten Version, die hoffentlich nicht allzu lange auf sich warten läßt, ihrer theoretischen Fortschrittlichkeit entsprechend, den qualitativen Sprung in die Digitalität auch tatsächlich wagt und die überkommene Buchform als nicht mehr hinreichend zweckdienlich hinter sich läßt.