Das Grab Ramses' X. (KV 18)

Die Reihe Aegyptiaca Helvetica ist ein Publikationsorgan, in dem Arbeiten zum Tal der Könige seit vielen Jahrzehnten einen bedeutenden Platz einnehmen. Sie bietet etablierten Gelehrten und dem wissenschaftlichen Nachwuchs die Möglichkeit zur Veröffentlichung ihrer Forschungsergebnisse. Ein solcher Beitrag ist auch die vorliegende Neuerscheinung zum Grab Ramses X. (KV 18). Alle Autoren sind Mitarbeiter des Ägyptologischen Seminars der Universität Basel, das sich unter Leitung von Erik Hornung zu einer herausragenden Institution auf dem Gebiet der Königsgrabforschung entwickelt hat.
Ramses X.(1107-1103 v.Chr.) zählt zu den unbekannteren Pharaonen des Neuen Reiches. Als vorletztem König aus der illustren Reihe der Ramessiden, blieben die Dauer seiner Amtszeit und die hinterlassenen Zeugnisse gering. Ebenso rätselhaft war der Zustand seines Grabes, das Reisende bereits im 18. Jahrhundert besuchten. Alle Angaben zu diesem Monument zeichneten sich durch ungenaue, ja widersprüchliche Angaben aus. Dessen Freilegung und die Dokumentation aller Funde besaßen daher höchste Priorität beim Basler Forschungsprojekt, auch um exaktere Ergebnisse zum Ende des Neuen Reiches und der Geschichte des Königsgräbertals zu erhalten.
Dreißig Überschwemmungen suchten die Grabstätte heim, weit mehr als man bisher im Tal belegen konnte. Von der Dekoration der Korridore sind nur noch Spuren erhalten, die in mühevollster Detailarbeit erfaßt wurden. Sie belegen, daß Ramses X. sich am Dekorationskonzept seiner Vorgänger orientierte, aber durch ausgedehntere Raummaße neue Akzente setzte. Die Anlage konnte nie über einen Eingangsbereich und zwei Korridore hinausgeführt werden, da man nur an wenigen Tagen im Jahr an ihr arbeitete. In der detaillierten Analyse der Dokumente aus der Arbeitersiedlung Deir-el Medine werden die Ursachen dafür sichtbar: eine korrupte Landesadministration versorgte die Arbeitermannschaft des Grabes nicht ausreichend, die sich zusätzlich häufigen Überfällen der Libyer aus der Westwüste ausgesetzt sah; Schutz und innere Ordnung des Landes waren nicht mehr gewährleistet.
Die Bearbeitung der Grabfunde brachte Gewißheit, daß kein einziges Objekt der Grabausstattung Ramses X. zugewiesen werden kann; alle Gegenstände sind Streufunde aus benachbarten Königsgräbern, von den Wassermassen in KV 18 eingeschwemmt. Damit ist gesichert, daß der Herrscher nie im Tal der Könige bestattet wurde; Nachweise für einen Sarkophag, Kanopen oder die Königsmumie fehlen gänzlich. Thomas Schneider hält eine Beisetzung des Königs in der Ramsesstadt, der Residenz im Norden Ägyptens, für denkbar, obwohl von dort z.Zt.noch keine Belege für eine Herrschernekropole existieren.
Diese Grabpublikation ist ' trotz mehrerer Autoren ' von bemerkenswerter Homogenität. Viel Sorgfalt verwandte man auf Bereiche, welche zunächst nicht direkt mit einer Bauaufnahme und Dekorationsanalyse des Königsgrabes in Verbindung standen, wie z.B. die Zusammenstellung der Denkmäler Ramses X. und die Bearbeitung der Dokumente aus Deir el-Medine. Durch die Auswertung aller bekannten königlichen Zeugnisse entsteht ein präziseres Bild seiner bisher obskuren Amtszeit. Fotografien, Zeichnungen, Anmerkungen, Indices und Literaturverzeichnis sind makellos. Das i-Tüpfelchen setzen Resumées in französischer, englischer und arabischer Sprache, alles Bestandteile, die in vielen Fachpublikationen oft fehlen oder vernachlässigt werden. Fazit: Eine Forschungsarbeit, die einen kaum bekannten König 'zum Leben erweckt' und zeigt, wie man reiche Ergebnisse aus wenig spektakulären Monumenten gewinnt. Es ist eine vorbildliche Grabpublikation, dank der sorgfältigen Arbeit von Autoren und Verlag. Man ist schon auf das nächste Projekt gespannt!