'Kaum eine andere Autorin hat in der gegenwärtigen feministischen Theorie für so viel Aufsehen gesorgt wie Judith Butler. Und [...] ist derart umstritten' (S. 11). Diese eröffnenden Worte bringen in einem kurzen Satz die problematische Rezeption von Judith Butler auf den Punkt. Insbesondere innerhalb der deutschen Rezeption, auf die sich Paula-Irene Villa in dem angezeigten Band vornehmlich konzentriert, gilt Butler nicht nur als umstritten, vielmehr zeichnet sich hier eine weitgehende Ablehnung ihrer Konzeptionen ab. Die Diskussion konzentriert sich vielfach auf die Differenz zwischen essentialistischen Positionen und Butlers Überlegungen, die als radikal-konstruktivistisch ersteren gegenübergestellt werden. Diese Argumentationen münden dabei in eine dualistische Gegenüberstellung, die den komplexen und differenzierten theoretischen Ausführungen Butlers oftmals kaum gerecht werden. Vor dem Hintergrund dieser Problematik gelingt es der angezeigten Einführung in ausgezeichneter Weise, dieser vereinfachenden Rezeption entgegenzuwirken und zwar in Form einer kritisch-reflexiven Auseinandersetzung mit den grundlegenden Themenschwerpunkten Butlers und ohne dabei den einführenden Gestus zu verlieren.
Der vorliegende Band verfolgt eine thematische, problemzentrierte und nicht werkchronologische Annäherung an die theoretischen Positionen von Judith Butler. Im einführenden Kapitel nimmt die Verfasserin zum einen eine sozio-historische Einordnung der Butlerschern Denkrichtung im Kontext der USA vor und entwickelt zum anderen ein Problembewußtsein gegenüber den national unterschiedlichen Rezeptionen und Rezeptionskontexten. In den fünf folgenden Kapiteln widmet sich Villa jeweils thematischen Schwerpunkten: Diskurs und Sprache, Subjekttheorie, sex und gender, Körper sowie Queer Politics. Diese thematische Ausrichtung ist aus zwei Gründen überzeugend: Erstens ziehen sich die in den einzelnen Kapiteln angesprochenen Themenschwerpunkte auch als Leitthemen durch Butlers gesamtes Oeuvre und zweitens bildet die Anordnung der Themenschwerpunkte eine sukzessive Hinführung von der Grundproblematik gender-theoretischer Betrachtungen hin zum komplexen Kontext von Geschlechterfragen ab. Villa gelingt es bei ihrer argumentativen Entwicklung, die oft sehr abstrakten Ausführungen Butlers immer wieder mit alltagsweltlichen Beobachtungen hilfreich zu veranschaulichen. Darüber hinaus überzeugt der Band als eine Einführung auch deshalb, weil er butlerspezifische Termini entweder direkt oder mit Verweis auf spätere Kapitel erläutert und theoriespezifische Begrifflichkeiten in Form von Fußnoten zusätzlich expliziert (vgl. S. 40, 80 u. 82). Des weiteren bietet der Band ein Glossar, in dem die wesentlichen Begriffe noch einmal gesondert erläutert werden. Kritisch anzumerken sei in diesem Zusammenhang jedoch, daß das Glossar zwar den Begriff 'performativ' nicht jedoch die häufig mißverständlicher Weise synonym verwendeten Begriffe 'performance/Performanz' und 'performativity/Performativität' enthält. Diese werden von Butler jedoch voneinander unterschieden (vgl. u.a. Körper von Gewicht, S. 321). Insbesondere im abschließenden sechsten Kapitel 'Rezeption und Wirkung' zeigt sich Villas offene aber durchaus kritische Haltung gegenüber Butlers Theorien. Sie stellt unterschiedliche Ansatzpunkte für Kritik an Butlers Position (u.a. Diskursontologie und Mangel an Empirie) vor, um diese dann im Lichte von Butlers Argumentation zu prüfen. Der Band schließt mit einer kurzen biografischen Übersicht und einer Bibliographie, die bedauerlicherweise lediglich die im Band angesprochenen Texte enthält. Eine umfangreichere Auswahlbibliographie wäre wünschenswert gewesen, wobei die Verweise auf Internetquellen zumindest teilweise entschädigen.
Fazit: Dieser Band zu Judith Butler wird dem Anspruch einer Einführung auf allen Ebenen gerecht. Die konzise und prägnante Darstellung ist gerade für Neulinge in Butlers Theoriekonzeptionen eine lohnenswerte und überaus preiswerte Anschaffung. Noch einmal positiv hervorzuheben ist Villas produktiv differenzierte Darstellung einer bisher eher einseitig betrachteten Theoretikerin.