Historische TV-Dokumentationen erfreuen sich nunmehr schon seit einigen Jahren großer Beliebtheit beim Fernsehpublikum, aber erst in jüngster Zeit rücken TV-Produktionen zunehmend in den Focus der Kulturwissenschaften. Mit ihrer Dissertation Homogenizing History reiht sich die Kölner Amerikanistin Anke Bösel definitiv in die Riege der hochkarätigen Publikationen in diesem Feld ein.
Den Focus der Studie bildet Ken Burns' elfstündige Dokumentation The Civil War, die im September des Jahres 1990 in den Vereinigten Staaten gesendet wurde und deren neun Episoden durchschnittlich 16 Millionen Zuschauer verzeichnen konnte. Die Ausstrahlung zog eine ungeheure mediale Aufmerksamkeit auf sich, so daß die Autorin die Serie mit Fug und Recht als 'major media event in the United States' (S. 7) bezeichnet. Neben der detaillierten Analyse der einzelnen Episoden rücken auch die sich aus der Dokumentation entwickelnden öffentlichen Diskurse, die Bösel aufgrund ihrer hervorragenden Kenntnisse des Entstehungskontextes sowie der strukturellen und institutionellen Rahmenbedingungen in den Vereinigten Staaten integriert, in den Vordergrund.
The Civil War stellt für die Verfasserin selbst eine historische Quelle dar: 'Burns's Civil War series itself constitutes a historic source, an artifact that is situated within a particular cultural practice.' (S. 183) Die Serie erzeugt ein homogenes Bild der Vergangenheit und hat das kollektive Gedächtnis der Amerikaner nachhaltig geprägt. The Civil War löste einen wahren Tourismus-Boom zu Schauplätzen des Amerikanischen Bürgerkriegs aus, was sicherlich nicht zuletzt durch die bereits Monate vor der Ausstrahlung angeleierte PR-Kampagne zu begründen ist. Obwohl die Dokumentation zunächst dem vorherrschenden Geschichtsbild zur Zeit der Reagan und Bush-Administrationen zu widersprechen scheint, kommt Bösel zu dem Schluß, daß Burns' Anliegen in erster Linie die Homogenisierung des amerikanischen Geschichtsbildes ist. Mittels der Strategien der 'individualization, historization, personalization, and emotionalizing' entsteht ' trotz der Multiperspektivität des filmischen Textes (etwa durch die Einbindung von Stimmen aus dem Norden und Süden, von Männern und Frauen, von Afro-Amerikanern und Weißen) ' ein stimmiges Bild der Vergangenheit, das den politischen Diskurs der Gegenwart letztlich eher untermauert denn in Frage stellt.
Bösel entwickelt ihre Ausgangsthese von der Interdependenz der Repräsentation von kollektiver Erinnerung und politischem Diskurs schlüssig und zielgerichtet. Auch methodisch steht die Arbeit auf einem sicheren Fundament und kann überzeugen. Neben der Theorie des New Historicism greift Bösel die ‚Emplotment'-Theorie von Hayden White auf. The Civil War weise klar auf einen ‚comic mode of emplotment' hin. Hieraus leitet die Verfasserin den von ihr geprägten Begriff ‚accommodationist' ab, der erst relativ spät definiert wird: 'The term ‚accommodationist' is meant to communicate the film's tendency to accommodate difference and thereby reconcile.' (S. 78) Geschichte wird in The Civil War folglich als linear und progressiv verstanden, und die Krise des Bürgerkriegs wird als psychologischer Prozess des Heranwachsens einer Nation inszeniert.
So bleibt als einziger (zugegebenermaßen minimaler) Kritikpunkt zu bemerken, daß eine Einbindung von Bildern und Screenshots einiger zentraler Szenen zur besseren Illustration des Forschungsanliegens sicherlich dienlich gewesen wäre; dem Lesevergnügen tut dies aber letztlich keinen Abbruch. Homogenizing History besticht sowohl durch seine klare Gliederung als auch durch seinen sprachlichen Stil sowie die überzeugende Integration der Paratexte in die Untersuchung. Das Projekt der Verfasserin, 'culture in action' (S. 18) zu beschreiben, ist eindeutig geglückt.