Seit 75 Jahren besteht an der Frankfurter Universität ein geographischer Forschungsschwerpunkt, der aus Anlaß dieses Jubiläums zwei bemerkenswerte Publikationen herausgebracht hat. Obwohl es die 'Rhein-Mainische-Forschung' seit ihrer Gründung durch Walter Behrmann im Jahre 1925 nie geschafft hat, einen festen institutionellen Rahmen mit eigenem Personal zu erreichen, kann wohl kein Geographisches Institut an einer deutschen Hochschule eine solche wissenschaftliche Forschungstätigkeit über seinen Nahraum aufweisen. In der eigenen Schriftenreihe 'Rhein-Mainische Forschungen' (im folgenden: RMF) sind seit 1927 bisher 120 Titel erschienen, zumeist Dissertationen, in den vergangenen Jahren zunehmend auch Tagungsbände. F. Schymik, der die Reihe seit über 25 Jahren als Schriftleiter betreut, gibt in Band 119 einen instruktiven Einblick in die Geschichte der Abteilung und ihre Publikationstätigkeit, wobei leider die Zeit nach 1933 wegen fehlender Archivunterlagen nur kursorisch behandelt werden kann. In den 120 Veröffentlichungen der RMF spiegelt sich nicht nur Frankfurter Forschungsgeschichte, sondern darüber hinaus deutsche Geographiegeschichte insgesamt. Mit neuen, innovativen Ansätzen begründeten die Arbeiten von Wolfgang Hartke und seinen Schülern die bundesdeutsche Sozialgeographie der frühen Nachkriegsjahre; seit Ende der 50er und in den 60er Jahren wurden die RMF unter dem Einfluß von Anneliese Krenzlin zu einem Zentrum der deutschen siedlungsgenetischen Geographie, und seit den 70er Jahren bestimmen Themen einer modernen wirtschafts- und sozialräumlichen Regionalforschung die Arbeit. Hiervon zeugen auch die Beiträge im Jubiläumsband, die sich z.B. mit dem Standortfaktor 'Wissenschaft' oder den Auswirkungen globalisierter Kommunikationsstrukturen mittels Datennetze auf die Regionalstrukturen beschäftigen; Themen, die noch vor einigen Jahren undenkbar gewesen wären. Auf Einzelheiten muß hier verzichtet werden. Das heutige Forschungsprofil, das wesentlich von K. Wolf geprägt wurde, zeigt, daß die Abteilung RMF den Paradigmenwechsel von der klassischen Landes- und Landschaftskunde zu einer modernen Regionalforschung längst vollzogen hat und daß die Regionalgeographie auch weiterhin - wie G. Heinritz in seinem Festvortrag deutlich macht - einen festen Stellenwert besitzt, ja vieles dafür spricht, daß Planung, Verwaltung, Wirtschaft und Politik in Zukunft verstärkt die Geographie mit ihren regionalen Kompetenzen einfordern.
Dieser Anwendungsbezug der Geographie war bereits erklärtes Ziel der ersten großen Publikation der RMF, des 1929 erschienenen 'Rhein-Mainischen Atlas'. Dieses Werk darf sich als erster deutscher Regionalatlas bezeichnen - ein früher Vorläufer war der 'Atlas von Sachsen' von Henry Lange (1860) - dem in den 1930er Jahren weitere folgten. Sie sind Zeugnisse einer Epoche, in der sich die Geographie begann als angewandte Wissenschaft zu verstehen und für Planung und Politik funktionale Raumbeziehungen aufzuzeigen. Mit dem 'Regionalatlas Rhein-Main' legen die Frankfurter Geographen nun einen neuen Atlas vor, der bewußt Bezüge zum Werk von 1929 herstellt und einige Themen vergleichend gegenüber stellt. Die Karten, die alle durch kurze Begleittexte erläutert werden, gliedern sich in acht Themenbereiche, die das gesamte wirtschafts- und sozialgeographische Spektrum abdecken, von Bevölkerung und Bildung über Wohnen bis zu Wirtschaft, Steuern, Verkehr und Energie. Entstanden ist ein modernes Kartenwerk, das nicht mehr viel gemein hat mit einem traditionellen 'Heimatatlas', das aber auf Basis der statistischen Raumeinheiten (Gemeinden und Kreise) ein differenziertes Bild einer komplexen, hochverdichteten Region und ihres Umlandes mit all ihren Verflechtungsbeziehungen und dynamischen Entwicklungsprozessen widerspiegelt.