Klimageschichte Mitteleuropas

Unter den bekannteren Standardwerken der Historischen Klimaforschung sind die von H.H. Lamb (1966; 1972 /1977) oder - auf die Schweiz bezogen - das von Chr. Pfister (1985) zu nennen. Inzwischen hat die Auswertung neuer Quellen und die Weiterentwicklung der Text- und Zeitreihenanalyse zu verfeinerten Methoden und zu differenzierteren Ergebnissen geführt, die aber vornehmlich in Fachzeitschriften publiziert sind. Um so erfreulicher ist es, daß hier ein Werk vorgelegt wird, das den aktuellen Forschungsstand für Mitteleuropa vom Hoch-Mittelalter bis heute repräsentiert. Der Autor lehrt am Geographischen Institut der Universität Heidelberg und ist durch zahlreiche Publikationen zur Klimageschichte ausgewiesen.

Durch die teils kontrovers geführte Diskussion der Frage nach Einfluß und Bewertung der anthropogenen Komponente im heutigen Klima, stellt sich die Forderung nach einem Vergleich mit dem Klima vor Beginn der Industrialisierungsphase. Unter diesem Aspekt erscheint das Buch zu einem günstigen Zeitpunkt, um zur Objektivierung beizutragen.

Der erste Teil befaßt sich mit den Datenquellen und den Methoden zur Klimarekonstruktion, der zweite Teil mit der Darstellung der Klimageschichte. Heterogen sind die Quellen die zur Datengewinnung herangezogen werden: z. B. Chroniken, Annalen, Wetter- und Schiffsjournale, Hochwassermarken. Eine wichtige Quelle sind Proxydaten, wie historische Aufzeichnungen über die Winterstrenge, Weinqualität, Mißernten, die Auswertung von Baumringbreiten und später die ersten von Instrumenten gelieferten Daten. Instruktiv wird die detektivische Kleinarbeit erläutert, wie aus schriftlichen Zeugnissen wetter- und klimaspezifische Informationen isoliert und auf ihre Verläßlichkeit überprüft werden, um sie schließlich einer Quantifizierung zuzuführen. Dabei hat sich der Vergleich der aus Textanalysen gewonnenen Ergebnisse mit den Proxydaten als besonders fruchtbar für die Klimarekonstruktion erwiesen. In der Zeitspanne 1000 - 1500 gelingt eine Auflösung nach Dezennien, danach, bis zum Einsatz von Instrumenten, ist die Informationsdichte größer, so daß eine Auflösung nach Monaten und Jahreszeiten möglich wird. Auf die vielen erhellenden Einzelinformationen und ihre Bedeutung für die Kulturgeographie und Geschichtswissenschaft kann nur hingewiesen werden.

Abschließend sei die übersichtliche Gliederung und die gute Lesbarkeit hervorgehoben, ergänzt durch Diagramme, Tabellen, Fotografien und zahlreiche Literaturangaben. Schade ist lediglich, daß Hinweise zu den ausgewerteten historischen Quellen dem Buch nicht beigefügt werden konnten, aber über die Internetadresse des Verlags zugänglich sind.