Täterprofile bei Gewaltverbrechen
Mythos, Theorie und Praxis des Profilings

Das sogenannte 'Profiling' ist in Deutschland eine junge Disziplin, die sich hierzulande eigenständig definieren, ihre Identität finden und ihren Wert im Rahmen kriminalistischer Tätigkeit beweisen muß. Musolff (Studium der Psychologie, Aufbaustudium Kriminalistik) und Hoffmann (Dipl.-Psychologe), beide bereits polizeiintern mit der Verbreitung von Informationen zum Thema 'Profiling' betraut (polizeiinternes Lehrbuch), haben in ihrem Buch Autoren unterschiedlicher Fachdisziplinen und theoretischem Hintergrund (Psychologen, Psychiater, Kriminalisten, Polizeibeamte, Juristen, Sozial- und Kommunikationswissenschaftler sowie Rechtsmediziner) zusammengebracht, um die junge Disziplin aus dem jeweiligen fachspezifischen Blickwinkel darzustellen.
Einleitend wird die Entwicklung des 'Profiling' im In- und Ausland aufgezeichnet, und im ersten Teil dem in den Medien verbreiteten Mythos des 'Profilers' und seines Gegenstückes, des 'Serienkillers' zu Leibe gerückt. Im zweiten Abschnitt werden dann die theoretischen Grundlagen des 'Profilings', verschiedene Denkansätze und Analyseverfahren (wie induktive und deduktive Verfahren, Methodik der Versionsbildung, Übertrag der 'objektiven Hermeneutik', statistische Verfahren sowie kriminalpsychologische Studien und Grundlagen) mitunter auch an Beispielen anschaulich dargestellt. Es wird ein umschriebener Einblick in die durch das Bundeskriminalamt entwickelten Strategien zur Erstellung von Täterprofilen und das Management in Erpressungsfällen gewährt. In einzelnen Passagen gestaltet sich allerdings der Balanceakt zwischen Preisgeben der zum Verständnis nötigen Informationen und Zurückhalten von ermittlungsrelevanten Details schwierig und hemmt mitunter den Lesefluß ebenso, wie in einigen Artikeln gehäufte Verweise auf andere Autoren an späterer Stelle, die dann weiterführend Aufklärung bieten sollen. Im letzten Teil wird schließlich auch der Praktiker durch anschauliche Artikel über die Arbeit an Tatort und Leiche sowie durch Falldarstellungen, wobei aber die Namensnennung in einzelnen Beispielen doch verwundert, leidlich belohnt.
Die deutschen Anwender des 'Profiling' wollen dieses offensichtlich als Baustein im Mosaik der Ermittlung verstanden wissen. Es soll zum einen Hilfestellungen im Rahmender Ermittlungen bei Tötungs- und Sexualdelikten, insbesondere auch bei Serienverbrechen leisten und den bei Erpressung und Entführung eingesetzten Beamten neben einer Risikoabschätzung eine angemessene Verhandlungssprache und Ermittlungsstrategie an die Hand geben. Zum anderen werden auch darüber hinaus gehende Anwendungen im weiteren Verfahrensverlauf angesprochen. Ausgangspunkt des 'Profiling' sind für die Mitwirkenden harte Daten (z. B. Tatort- und Spurenlage, Verletzungen am Opfer bzw. der Leichenfund, Erkenntnisse über das Opfer und Zeugenaussagen), im weiteren Verlauf dann die Rekonstruktion der Annäherung an das Opfer, der Tat und der Nachtatphase. Auf welche Weise die Erkenntnisse genutzt werden, hängt von den Anforderungen des Falles ab.
Alles in allem gewährt Täterprofile bei Gewaltverbrechen einen abwechslungsreichen und gut gegliederten Blick hinter die Kulissen einer noch jungen Disziplin, die sich im kriminalpolizeilichen Alltag noch bewähren muß und in der Grundlagenforschung weitere Felder öffnet. Für jeden, der in die Klärung eine Kriminalfalles involviert ist, bietet das 'Profiling' die erquickliche Erfahrung, eigenes, 'althergebrachtes' und 'gewohntes' Erleben, das 'eingefahrene' Erfassen von Informationen und Verhalten beispielsweise am Tatort neu zu begreifen, den 'guten, alten' Tatort und sich selbst in seinem beruflichen Schaffen mit neuen Augen zu sehen. In der Ermittlung ist das 'Profiling' bereits jetzt als eine ernst zunehmende Ergänzung zu verstehen, wenn seine Ergebnisse auf harten Fakten, geschaffen durch die 'alten' Fachdisziplinen beruhen und kritisch vor den Hintergrundinformationen des Einzelfalles und empirischen Untersuchungen bewertet werden. Ein wenig Heldenverehrung (T. Müller im Kapitel 'Kunst und Mythos') möge dann gerne erlaubt sein.