'Aber dieser Mann [sc. Herodes] hat wirklich Großes für das jüdische Volk geleistet. Wäre es dem Volk und dem König vergönnt gewesen, einander zu verstehen, so würde die Regierung des Herodes im Gedächtnis des Volkes einen Ehrenplatz einnehmen, nicht weniger als die Regierung Davids'. (S. 674)
Mit dieser Wertung des umstrittenen Königs schließt Abraham Schalit sein Opus König Herodes. Der Mann und sein Werk, das nun, 22 Jahre nach dem Tod des Verfassers, neu aufgelegt worden ist. Schalits Herodesbiographie galt bei ihrem Ersterscheinen als 'die bis zur Stunde fundierteste Deutung der Person und des politischen Wollens Herodes' des Großen' (K. Müller, ThRevue 67 [1971], S. 351-359, hier S. 352). Die positive Neubewertung des Idumäers, der zum jüdischen König wurde, ist das zentrale Anliegen Schalits. Es war in seiner Zeit (die hebräische Originalausgabe erschien 1960) mutig und innovativ und hat sich bei allem Widerspruch gegen Einzelzüge der Herodesdeutung Schalits als wegweisend erwiesen. Der de Gruyter Verlag hat sich zurecht in einer Zeit zu einer Neuauflage dieses Werkes entschlossen, in der sich die Forschung wieder vermehrt dem römischen Klientelkönig zuwendet. Schalits Opus entfaltet breit den historischen Verständnishintergrund für die Gestalt des Herodes. Sowohl chronologisch, als auch in der Beschreibung der antiken jüdischen Lebenswelt und der römischen Politik gegenüber Klientelgebieten wird der Rahmen weit gesteckt. Schalits Werk ist in den Kapiteln I bis III chronologisch geordnet und beschreibt hier den Niedergang der hasmonäischen Herrschaft sowie die Etappen des Aufstiegs des Herodes zur jüdischen Königsherrschaft. Die Kapitel IV bis VII widmen sich verschiedenen Aspekten aus der Zeit der herodianischen Herrschaft und suchen dabei immer wieder das problematische Verhältnis des Herodes zu seinen jüdischen Untertanen zu erheben. Das Werk schließt mit Zusätzen, Anhängen, Registern und einem ausführlichen Literaturverzeichnis. Acht Abbildungen und vier Karten sind ebenfalls beigegeben. Für die Neuauflage hat Daniel R. Schwartz, Ordinarius für jüdische Geschichte an der Hebrew University Jerusalem, das Vorwort verfaßt und mit wichtigen Literaturnachträgen versehen. Ihm gelingt eine sehr aufschlußreiche Einordnung des Schalitschen Werkes in die israelische Forschungslandschaft der unmittelbar auf den Holocaust folgenden Zeit.
Als Kernstück der Herodesbiographie darf Kapitel 4 gelten, in dem Schalit die Grundkoordinaten seiner Herodesdeutung entfaltet, die an der unerwartet gnädigen Aufnahme des Herodes durch Octavian nach Actium hängt. Da Herodes den Octavian von Stund an als seinen 'persönlichen Heilsbringer' (S. 456) empfand, sich zugleich als Teil und 'ausführendes Organ'(S. 457) der durch Augustus eingeläuteten neuen Heilszeit in seinem Herrschaftsbereich verstand, begehrte er die Apotheose auch für seine Person. Dies war aber in einem jüdischen Kontext nicht zu haben und daher wollte er immerhin seine jüdischen Untertanen davon überzeugen, daß ihm 'selbst der Rang des Messias […], seinem Reich der Charakter des messianischen Reiches zuerkannt werden sollte' (S. 476). Auch wenn diese Grundthese vor allem wegen der mangelnden Quellenbasis kritisiert worden ist, Schalits Bild von den Gruppierungen im antiken Judentum aus heutiger Perspektive zu grob gezeichnet ist, die Trennlinien zwischen den antiken Volksgruppen (Judäer, Idumäer) neuerdings verschwimmen, so ist Schalits kritische Evaluation der historischen Quellen, besonders des Josephus, für die neuere Forschung doch wegweisend und sein Opus weiterhin als epochemachend zu betrachten.