Die Heilkunde im Alten Ägypten

Ein Buch, das sich mit altägyptischer Medizin beschäftigt und beim Lesen doch durchaus ein Genuß ist: Den Autoren ist es gelungen, klar und verständlich aktuelles Wissen über den Stand der Medizin zur Pharaonenzeit, d. h. Diagnose, Behandlungsmethoden, Gerätschaften und Vorstellung der Ursachen von Erkrankungen so darzustellen, daß man sich nicht durch all zu viele Fußnoten oder dem Laien nicht verständliche 'Fachbegriffe' hindurch wühlen muß. Etwas für das Sofa und den Schreibtisch. Für den interessierten Leser, der sich bis jetzt nicht eingehender mit dem Thema beschäftigt hat, ist es eine sehr gute Einführung. Die Abbildungen im Buch sind durchweg von sehr guter Qualität, allerdings findet sich ein Großteil davon bereits in anderen Bänden wie z. B. Ancient Egyptian Medicine von John F. Nunn.
Leider hält der Inhalt nicht das, was so dramatisch auf dem Klappendeckel angekündigt wurde: neuer Deutungshintergrund, eine neue Nilstromlehre, Revision der bisher gültigen anatomisch-physiologischen, pathologischen und diagnostischen Interpretationen. Mir ist es nicht gelungen, daß wirklich Neue in diesem Buch zu finden. Prinzipiell schmälert das nicht diese Ausgabe, denn publiziert war der Inhalt in dieser Art und Weise noch nicht. Nur wirklich neu, wie angekündigt, ist es eben auch nicht.
Ebenso bleibt die naturalistisch-spekulative Sichtweise verborgen. Ganz im Gegenteil, eher ärgerlich ist, daß nicht spekuliert wird. Wird vorher deutlich klargestellt, daß es sich um Spekulation handelt, so ist dies erlaubt und gewünscht. Denn es schmälert nicht den Wert eines wissenschaftlichen Werkes, wenn man eine Hypothese darstellt und diese dann diskutiert. Ein Interpretationsansatz wäre das Salz zu diesem Buch gewesen.
Häufig, wie oft in solchen Werken, fehlt der wissenschaftliche Diskurs zwischen den Philologen und der Medizin, da von der geisteswissenschaftlichen Seite ausgegangen wird, die sich vor allem an den Texten orientiert. Sie ist aber kaum in der Lage, die beschriebenen Dinge korrekt und vollständig zu deuten. Läßt sich kein Mediziner zur Zusammenarbeit bewegen, auf Grundlage der Texte eine mögliche Diagnose zu erstellen und die Behandlungsweise zu kommentieren? Würde eine solche Zusammenarbeit nicht sehr fruchtbar sein und einige Unklarheiten beseitigen? Dies ist aber nicht als Fehler der Autoren selbst zu sehen, sondern eher als 'Fehler im System', das fachübergreifendes Arbeiten schwierig werden läßt.
So ist das vorliegende Buch zwar eine beachtenswerte Einführung in die altägyptische Medizin, führt aber nicht wirklich über andere Werke hinaus. Trotz der Einschränkungen möchte ich dieses Buch dem Leser empfehlen, denn es ist den Autoren gelungen, ein Buch zu verfassen, das sich trotz seines speziellen Themas hervorragend lesen läßt.