Carl Schmitt
Preußischer Staatsrat in Hitlers Reich

Der Essener Historiker zeigt, daß Carl Schmitt die alten Eliten der wilhelminischen Zeit zum Nationalsozialismus hingeführt hat. Schmitt sah, daß im Industriezeitalter Besitz und Bildung der Bürger nicht mehr die Säulen der Gesellschaft waren. Nach dem Fortfall der Monarchie mußte die Gesellschaft sich aus sich neu organisieren. Das versuchte Hugo Preuß als Gründungsvater der Weimarer Republik gegenüber den Tendenzen zu einer Räterepublik. Doch siegte dann 1866 über 1848: der Reichspräsident bekam besondere Entscheidungsbefugnisse gegenüber dem Parlament in den Zeiten des Notstands. Als Schmitt 1931 den Reichspräsidenten zum 'Hüter der Verfassung' erklärte, bahnte er den Weg zur Präsidialdiktatur. Der preußische Ministerpräsident, der Sozialdemokrat Otto Braun, widersetzte sich damals dem nationalsozialistischen wie kommunistischen Terror. Er wurde durch den Reichskanzler von Papen im sogenannten 'Preußenschlag' vom 20. Juli 1932 abgesetzt. Schmitt rechtfertigte dieses Vorgehen des Reichs in Leipzig vor dem Reichsgericht, indem er in den Kommunisten, nicht auch in den Nationalsozialisten Staatsfeinde sah. Der Leipziger Prozeß war für Schmitt der Rubikon, bei dessen Überschreiten er sich vom Frieden und vom Recht lossagte zugunsten von Krieg und Schicksal. Göring berief als preußischer Ministerpräsident Schmitt in den preußischen Staatsrat, der wenigstens dem Anschein nach die gebündelten Kräfte des Landes zur Beratung versammeln sollte. Als Röhm mit der SA die Revolution fortsetzen wollte, wurde er mit anderen am 30. Juni 1934 blutig niedergeschlagen. Schmitt schrieb: 'Der Führer schützt das Recht'. Obwohl er sich 1936 gegen die Juden in der Jurisprudenz wandte, wurde Schmitts Einfluß in den Kämpfen der nationalsozialistischen Polykratie beschnitten. Sein Weggefährte Johannes Popitz, sicherlich kein Demokrat, fand schließlich im Widerstand gegen Hitler den Tod. Schmitt konnte nach der langen Internierung durch die Alliierten vieles dafür tun, Vorgänge, die er mitgestaltet hatte, umzuinterpretieren. (Der Einfluß der Schule von Joachim Ritter in diesem Zusammenhang bleibt bei Blasius ausgeklammert.)
Wenn das Buch Tätigkeit und Wirkung von Carl Schmitt historisch aufschlüsselt, wird der Streit um Schmitt versachlicht. Es kann nicht mehr kurzschlüssig gefragt werden, ob Schmitt seine Option für Hitler im Sinne eines preußischen Konservativismus oder einer konservativen Revolution fällt. Ernst Jünger warnte Schmitt schon 1933 durch den Hinweis, daß der 'große Staatsrat' für Napoleon 'reines Arbeitsinstrument' gewesen sei. Zu Unrecht schrieb Schmitt 'ohnmächtiges Gejammer!' an den Rand eines Buches von Karl Dietrich Bracher, das die 'Legalität' von Hitlers Machtergreifung durch den Hinweis auf den tausendfachen Rechtsbruch in Frage stellte. E.R. Huber sprach der Bonner Lehrtätigkeit von Schmitt das Verdienst zu, die Weimarer Staatstheorie 'geisteswissenschaftlich' gedeutet und 'existenziell' diskutiert zu haben. Schmitt sprach von einem 'vergifteten Liebesgruß' seines bedeutendsten Schülers und betonte seine Nähe zu Popitz. Eberhard von Medem, der Schmitt schon bei der Heranführung der Juristen an den Nationalsozialismus geholfen hatte, konnte die Nachkriegsreflexionen Schmitts edieren (nicht aber mit R. Kothselleck die Edition von Schmitts Nachlaß überhaupt in Gang bringen). In diesem Hin und Her der Zuwendung zu Schmitt und der Abwendung von ihm kam die historische Aufarbeitung, wie sie Ziel des vorliegenden Buches ist, nur langsam und unvollständig in Gang.