Niederländische Seefahrer in schwedischen Diensten
Seeschifffahrt und Technologietransfer im 17. Jahrhundert

Diese Studie von Hielke van Nieuwenhuize ist aus seiner Greifswalder Dissertation zur privat organisierten Hilfsflotte in schwedischen Diensten währen des Torstenssonkrieges (1643–1645) hervorgegangen. Dieser Aspekt wurde zusätzlich um eine Untersuchung zur Rekrutierung von Kapitänen, Leutnants und Steuermännern durch Agenten der Krone Schweden auf dem stark segmentierten maritimen Arbeitsmarkt der Niederlande erweitert. Der gesamte Band bewahrt diese Zweiteilung: Neben der regulären und wiederkehrenden Anwerbung von nautischen Spezialisten im Zeitfenster von 1630 bis 1654 wird die Anwerbung einer ganzen Flotte im Jahr 1644 durch Louis de Geer als Sonderfall getrennt betrachtet. Als Quellenbasis dient van Nieuwenhuize eine beeindruckend breite Palette an Archivalien: von den Rollen des Admiralitätskollegiums im Stockholmer Kriegsarchiv über die bewahrten Unterlagen und die Korrespondenz von Louis de Geer im Stockholmer Reichsarchiv (Leufstaarkiv) sowie die Notariatsakten aus Amsterdam und Hoorn bis hin zu den Berichten des dänischen Residenten aus dem Kopenhagener Reichsarchiv.

Zunächst legt van Nieuwenhuize überblicksartig die Konfliktlage zwischen den Kronen Schweden und Dänemark um das Dominium Maris Baltici bis zum Friedensschluss von 1645 dar. Die Bedeutung des Ostseehandels für die Niederlande und die damit verbundene Problematik der Sundzölle sind ebenfalls Teil dieser Betrachtung. Darauf aufbauend untersucht der Verfasser mit dem Instrumentarium der Historischen Migrationsforschung jene eindeutig unter niederländischen Vorzeichen stehenden Jahre der schwedischen Kriegsflotte. Auf dem Höhepunkt dieser Entwicklung Mitte der 1640er Jahre waren über zwei Fünftel der Kapitäne der schwedischen Flotte in den Niederlanden angeworben worden (S. 123). Diese überwiegend aus der holländischen und seeländischen Handelsschifffahrt angeworbenen Seeoffiziere verließen oftmals bereits nach kurzer Zeit die schwedische Kriegsflotte wieder, um in ihr angestammtes Segment des Seehandels oder in die Niederlande zurückzukehren. Diese angeworbene externe nautische Expertise kam mithin auch der sich seit Mitte des 17. Jahrhunderts entwickelnden schwedischen Handelsschifffahrt zu gute.

Getrennt davon untersucht van Nieuwenhuize die Anmietung einer ganzen Flotte durch den Großunternehmer und Kaufherrn Louis de Geer zugunsten der Krone Schweden. Hierbei stehen weniger die bereits andernorts untersuchten Verläufe der Seeschlachten im Lister Tief (Mai 1644) und bei Fehmarn (Oktober 1644) im Fokus. Sein Hauptaugenmerk richtet der Verfasser auf das diplomatische und geschäftliche Tauziehen um die Flottenanwerbung auf dem maritimen Gewaltmarkt der Niederlande sowie auf die Herausarbeitung des bisher wenig beachteten Hauptzwecks der Hilfsflotte: der Kaperfahrt gegen dänische, norwegische und andere feindliche Schiffe. Im weiteren Verlauf des Krieges trat das Brechen der Blockade von Göteborg als weitere Zielsetzung hinzu. Dabei kommt auch die Erörterung der Begrenzungen einer angemieteten Kriegsflotte nicht zu kurz, die aus vergleichsweise leichten und kleinen Handelsschiffen zusammensetzt war: Die Schiffseigner und ihre Vertreter, die Schiffsführer, wussten ihre Eigeninteressen zu wahren; die Mietverträge legten dem Vorhaben ein enges Korsett an; die Mannschaften griffen zweimal innerhalb der Dienstzeit zum Mittel der Meuterei, um sich Gehör zu verschaffen. Als positiven Aspekt des Unternehmens vermerkt van Nieuwenhuize die dauerhafte Anwerbung der bestbefähigten Seeoffiziere der Hilfsflotte durch die schwedische Admiralität, namentlich von Maarten Thijssen (Anckarhielm) und Hendrik Gerritsen (Siöhielm).

Quellenbedingt ist der Aspekt des nautischen Technologietransfers von den Niederlanden nach Schweden weniger im Fokus der Studie. Die weitgehend mündlichen ‚Schulungen‘ schwedischer Offiziersanwärter erfolgten bei Überseefahrten und hinterließen dementsprechend wenig Spuren in den ausgewerteten Quellen. Tabellen etwa zu den Erfolgen der Rekrutierungsagenten (S. 108), zum Anteil niederländischer Seeoffiziere in der schwedischen Kriegsflotte (S. 126) oder zu den durch die Hilfsflotte gekaperten Schiffen (S. 329f.) bereiten das Material übersichtlich auf. Abbildungen hingegen gibt es nicht. Alphabetisch geordnete Aufstellungen der 141 zwischen 1630 und 1654 angeworbenen niederländischen Seeoffiziere und der 31 Flaggoffiziere und Kapitäne der Hilfsflotte sowie ein Orts- und ein Personenregister runden den überaus gelungenen Band ab.