Zwangsarbeit im Nationalsozialismus
Begleitband zur Ausstellung der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora

Unerhört erscheint, dass „kein anderes Verbrechen auf einer derart breiten gesellschaftlichen Basis begangen worden [war] wie das der Zwangsarbeit“ (S. 193), deren überlebende Opfer, oft invalide, bis in die 90er-Jahre (vgl. S. 257) auf Entschädigungen zu warten hatten. Dem hilft seit einigen Jahren eine in Berlin gestartete Wanderausstellung u.a. dadurch ab, dass darin konzeptionell auch ehemalige Zwangsarbeitskräfte akustisch vernehmbar werden.

Die Ausstellung erklärt sich mit der tristen Tradition des enormen rüstungsindustriellen Bedarfs an Zwangsarbeit, u.a. gedeckt durch das KZ Mauthausen. Zwar gestaltete sich Zwangsarbeit im Deutschen Reich und dessen besetzten Gebieten insofern als ‚egalitär’, als jede/r, selbst (und gerade deshalb) „’Unproduktive’“ (S. 232 ff.), theoretisch betroffen sein konnte. Der vorliegende Band ist eigens darauf ausgerichtet, „auch einige markante Besonderheiten“, schon allein aufgrund der „wirtschaftlichen Ausgangssituation Österreichs“ (S. 195) herauszustreichen.

Parallel zur Ausstellung fungiert der durchaus eigenständige, mit sowohl vertiefenden wie überblicksartigen Fachaufsätzen versehene Band als eine Schau im spezifischen Sinn: Er möchte mit „serielle[r] fotografischer Vergegenwärtigung von Situationen und Personen“ die „Zwangsarbeit als Beziehungsgeschichte [...] begreifbar“ (S. 8) machen. Ein solch „quellenkritische[r] Umgang mit der historischen Fotografie“ (S. 9) setzt auf das Bedeutungsspektrum des Begriffs ‚Sensation’ (Empfindung, Ereignis, Darbietung), evoziert als Appell den Blickkontakt von Blicken.

Der Nutzen eines „radikal leistungsorientierte[n] Produktivitätsregime[s]“ (S. 253), das sich nicht bloß in den weiten Fernen der besetzten Territorien, den ‚Hinterhöfen’ entfaltete, sondern hineingerückt erscheint in die Flächen und Gesellschaft der Heimat, lag auf der Hand: „[n]iedere, schmutzige und schlechter bezahlte Arbeiten“ (S. 189) konnten von Herrenmenschen an Arbeitsvölker delegiert werden, für erstere eine wohl mühelose wie attraktive „erlebbare Aufwertung und Höherstellung“ (S. 8). Zumal für Rüstungsindustrie und Landwirtschaft die heimischen Frauen demographische, reproduktive Zwecke zu erfüllen hatten (vgl. S. 245).

Generell kann die Funktion, nämlich die volksgemeinschaftliche Produktivität durch Hinzuraub steigern zu wollen, neben anderen in diesem Band erwähnten Profiten, sehr wohl „dafür [sprechen], dass ein derartiges deutsches Schuldbewusstsein gegenüber den Zwangsarbeitern überhaupt existiert hatte.“ (S. 260) Würde man etwa die Profiteure und Nutznießerinnen „offenbar ohne Unrechts-Bewusstsein“ (S. 4) sein lassen, bedeutete dies eine Art ‚Auszeit‘ im Rahmen der ‚Psychologie der Moralentwicklung‘ (L. Kohlberg. 1995). Jedenfalls handelt es sich um von Menschenkräften geforderten, zur Auslaugung und totalen Erschöpfung führenden Arbeitsleistungen in einem Maße, das nur zu oft jegliche Vergütung (lukrativ) überflüssig machte.

Vorliegenden Ausführungen nach wollte es die deutsche wie österreichische Nachkriegsgesellschaft beim zwangsweisen wirtschaftlichen Einsatz von Arbeitskräften in der NS-Zeit belassen anstatt die dabei psychisch wie physisch Geschädigten abzugelten. Angesichts der Tatsache von mehrheitlich ‚slawophonen‘ Opfern kam es zu einer „Gerechtigkeitslücke zwischen Ost und West“, einem „bleibende[n] Gegensatz [...] zwischen jüdischen und nichtjüdischen ehemaligen Zwangsarbeitern“, einer „internen Opferkonkurrenz“; was gar „eine externe Opferkonkurrenz“, die gegenrechnerische „Diskussion um die eigenen Opfer des Krieges in den letzten Jahren“ (S. 263-265) anschwellen ließ.

Gerade aufgrund einer „am universalisierten Maßstab des Holocaust organisierten Erinnerungskultur“ (S. 264) liefert vorliegender Bild- und Darstellungsband die gebotene Differenzierungsleistung angesichts des thematisch bedingten Potentials an Verwischungen. Die solcherart in den Konturen deutlich werdenden Ent-Mischungen liefern eine gründliche Basis zum Verständnis eines profunden Teils der Arbeitskräftepolitik im Dritten Reich, ihrer erwählt wahllosen Vermengung von in Wahrheit internationalen Zwangsrekrutierten. Genau diese (in)human(itär)e Dimension deutlich zu machen, ist eines der zentralen Anliegen des Katalogs.