Die Anfänge der deutschen Fremdwortlexikographie
Metalexikographische Untersuchungen zu Simon Roths „Ein Teutscher Dictionarius“ (1571)

In dem Anfang des Jahres 2016 erschienenen Band 5 des grundlegenden germanistischen Nachschlagewerks „Frühe Neuzeit in Deutschland 1520 – 1620. Literaturwissenschaftliches Verfasserlexikon“ konnte dankenswerterweise auch ein Artikel zu Simon Roth aufgenommen werden, der in der Germanistik als Verfasser des ersten deutschen Fremdwörterbuchs gilt. Verfasst hat ihn Anette Kremer, und sie war dafür besonders geeignet, da sie zu den wenigen Menschen zählt, die sich in der jüngeren Vergangenheit mit Simon Roths Leben und Werk genauer befasst haben. Auf ihre große Studie „Die Anfänge der deutschen Fremdwortlexikographie. Metalexikographische Untersuchungen zu Simon Roths ‚Ein Teutscher Dictionarius‘“, die auch dem Artikel im Verfasserlexikon weithin zu Grunde liegt, sei daher auch hier noch einmal mit Dank hingewiesen. Roths Wörterbuch von 1571 gilt als das erste in deutscher Sprache, das explizit die nicht-einheimischen  Wörter beschreibt und ist damit in gewissem Sinne ein Vorläufer – auch wenn es keine direkten Berührungspunkte gibt – zum großen Mannheimer „Deutschen Fremdwörterbuch“, von dem bisher in der Neubearbeitung 7 Bände für die Buchstabenstrecke von „A“ bis „hysterisch“ gedruckt vorliegen. Gemeinsam ist beiden Wörterbüchern, dass sie nicht sprachpuristischen, also fremdwortfeindlichen Zwecken dienen, sondern in den Entlehnungen aus fremden Sprachen eine Bereicherung des deutschen Wortschatzes sehen. Was heute selbstverständlich sein sollte, ist bei einem Autor des 16. Jahrhunderts noch besonders hervorzuheben. Nicht auszuschließen ist, dass hierfür eine bei Roth vorauszusetzende katholische Herkunft – und dadurch eine gegenüber den heiligen Sprachen und damit auch Fremdsprachen insgesamt offenere Haltung – verantwortlich ist, als sie in der größtenteils protestantisch geprägten frühen deutschen Sprachreflexion üblich war. Der konfessionelle Aspekt müsste in der deutschen Sprachgeschichte überhaupt noch etwas stärker betont werden. Auch bei einem weiteren Werk Roths, den „Dialogi Pueriles Nomenclaturas rerum domesticarum, continentes“, zuerst Dillingen 1556 bietet er eine katholische Version des seit 1527 ungemein erfolgreichen Schulbuchs „Formulae Puerilium Colloquiorum“ des protestantischen Nürnberger humanistischen Pädagogen Sebald Heyden, das im reformierten Raum annähernd 100 Mal neu aufgelegt wurde. Von diesem konfessionellen Aspekt einmal abgesehen – dessen Bedeutung für das „Dictionarium“ hier auch nur zur weiteren Überprüfung vorgeschlagen werden soll – behandelt die Verfasserin alle für Roths Wörterbuch wichtigen Gesichtspunkte auf vorbildliche Weise; etwa zur humanistischen Tradition und zur humanistischen Lexikographie (wo sich bei den onomasiologisch-mehrsprachigen Wörterbüchern Simon Roth und Sebald Heyden erneut begegnen), zu den Entlehnungen ins Deutsche in der Zeit des deutschen Humanismus und schließlich zur Mikro- und Makrostruktur des Wörterbuchs selbst. Ein Blick auf die Rezeptionsgeschichte des „Dictionarius“ rundet das erfreuliche Werk ab. Da Roth entscheiden musste, ob ein Wort als einheimisch oder als entlehnt zu bewerten ist – meist ist ihm dies gut gelungen, aber auch Wörter wie Herr und Schwermer finden sich als vereinzelte Fehldeutungen in seinem Wörterbuch –, gehört der „Dictionarius“ auch zur Frühgeschichte der deutschen etymologischen Wörterbücher, die selbst noch sehr im Dunkeln liegt. Es ist Anette Kremer mit Umsicht und Scharfsinn gelungen, unser Wissen über eines der frühen deutschen Wörterbücher beträchtlich zu erweitern.