Den Religionen auf der Spur
Die Welt des Glaubens in 26 Objekten

In seinem Werk führt Dr. Claudius Müller, seines Zeichens Ethnologe und Sinologe sowie ehemaliger Direktor des Münchener ethnologischen Museums „Fünf Kontinente“, den Leser auf einen Rundgang durch die Galerie der Religionen. Anhand von 26 beispielhaften Objekten aus der Sammlung des besagten Museums erörtert der Autor mythologische und sozio-religiöse Aspekte, die nicht nur die fünf Weltreligionen Judentum, Christentum, Islam, Hinduismus und Buddhismus, sondern populär auch weniger bekannte Formen des Glaubens abdecken. Zu Letzteren zählen etwa Formen des afrikanischen und ozeanischen Animismus, der chinesische Daoismus oder auch der Schamanismus der Samen.

Der Fokus von Müllers Abhandlungen zu den beispielhaften Objekten ließe sich vereinfacht unter dem Wort „Wechselwirkungen“ subsummieren; so behandelt der Autor die Religionen nicht als statische Entitäten, sondern betont vor allem die Wechselwirkungen mit anderen religiösen Strömungen, die zu ihrer jeweiligen Ausprägung führten. Bei den behandelten Objekten handelt es sich dabei keineswegs nur um religiöse Gegenstände im herkömmlichen Sinne, wie etwa Kultbilder oder magische Gerätschaften, sondern genauso um praktische Alltagsgegenstände der jeweiligen Kulturen. Ein Angelhaken der in Hawaii ansässigen Maui wird somit kurzerhand zum Ausgangspunkt für eine Erörterung zum Symbol des Angelhakens in deren Schöpfungsmythos. Ein Brautschmuck aus dem Jemen dient als ein exemplarisches Erzeugnis der fast unbekannten jüdisch-jemenitischen Minderheit, deren Feinschmiede im mehrheitlich muslimischen Land als populär galten. Das florale Muster auf dem Grab eines Sufi-Heiligen verleitet den Autoren zum Nachsinnen über die damit assoziierte Paradiessymbolik und deren historische Genese.

Die Abhandlungen zu den einzelnen Gegenständen umfassen zumeist nicht mehr als 8 Seiten, wobei jeweils eine komplette Seite eine großformatige fotographische Farbaufnahme des besprochenen Objektes darstellt. Prinzipiell stellt jede Objektbesprechung ein eigenes und in sich abgeschlossenes Kapitel dar, auch wenn es zu gelegentlichen Rückbezügen auf vorige Objekte kommt und hiervon ausgehend das Schlusskapitel zusammenfassend die interreligiösen Überschneidungen herausstellt und betont.

Der Schreibstil Müllers wirkt spontan, assoziativ und ermöglicht einen guten Lesefluss; seiner Publikation entsprechend wirkt er museal. Somit wird ersichtlich, dass sich das Buch nicht in erster Linie an ein fach-, sondern an ein populärwissenschaftlich orientiertes Publikum richtet. So wartet es nicht mit dem Anspruch auf neue Forschungsergebnisse zu präsentieren, sondern gruppiert gelungen scheinbar Unzusammenhängendes in einen großen Gesamtzusammenhang. Entsprechend der populärwissenschaftlichen Orientierung verzichtet der Autor auf einen wissenschaftlichen Apparat und Quellenverzeichnisse, mit Ausnahme eines Bildverzeichnisses zum Ende des Buches. Dies tut dem in sich geschlossenen Werk keinen Abbruch, da es das Potential birgt, den interessierten Laien zu eigenen Recherchen zu motivieren, was jedoch nicht bedeutet, dass es dem fachlich geschulten Leser keine neuen Erkenntnisse oder Perspektiven einbringen kann.