Cheops' Geheimnis
Die wissenschaftliche Eroberung Ägyptens

Der Band Cheops Geheimnisse von Erhard Oeser beschäftigt sich mit verschiedenen Interpretationen und Ausdeutungen der Cheops-Pyramide. Verfasser stützt sich dabei vor allem auf die Forschungsgeschichte zu diesem weltweit berühmten Bauwerk Cheops Pyramide ein und handelt sie in einem breiten geschichtlichen Spektrum ab. Durch Pläne, Zeichnungen, Skizzen und Bilder wird der Inhalt themenbezogen gut verdeutlicht.

Auf die antiken Berichte Herodots und Diodors, die Cheops als einen Tyrann bezeichnen, lässt Oeser die arabische Betrachtung folgen, die geprägt vom Islam unter anderem die Pyramide als „Denkmäler der Gottlosigkeit“ bewerten. Er berichtet anschließend über die Beschreibungen verschiedener Persönlichkeiten wie Jean Palerne, George Sandys und Pierre Belon, die als Augenzeugen im 16. Jahrhundert die Pyramiden sahen und betraten. Mit Giordano Bruno, der der Auffassung war, dass die Ägypter den Griechen in der Wissenschaft weit überlegen waren, leitet er in die mathematische und astronomische Erforschung der Cheops-Pyramide in der Vormoderne über.

Ein eigenes Kapitel widmet er John Greaves, der umfangreiche Vermessungen an der Pyramide durchführen konnte, dessen Ergebnisse dann Newton aufgriff, um die Theorie über das von Gott offenbarte Urmaß aufzustellen. Spekulationen über die Bauweise der Pyramiden und ihr ursprüngliches Aussehen entwarf Anfang des 18. Jahrhunderts Benoît de Maillet, der als Erster über den ursprünglichen Eingang wieder in das Grabmal eindrang. Ausführlich erörtert Oeser De Maillets Vorgehen und die Veröffentlichung seiner Ergebnisse, die Grundlage für viele Pyramidenfantasien werden sollten. In der Fortführung seiner chronologisch aufgebauten wissenschaftsgeschichtlichen Darstellung der Erforschung der Cheops-Pyramide erwähnt Oeser den Ägyptenfeldzug Napoleon Bonapartes, insbesondere den Marsch zu den Pyramiden und die anschließende, für die Franzosen siegreiche Schlacht. Aus ihr geht 1798 das Institut für Wissenschaft und Künste in Kairo hervor, das sich mit der Geschichte der Entstehung und der Verbreitung der Kultur Ägyptens und mit der Untersuchung und dem Studium der geschichtlichen, naturhistorischen und physikalischen Merkwürdigkeiten des Landes beschäftigen sollte. Eines der Untersuchungsobjekte stellte auch die Cheops-Pyramide dar. Die Niederlage Frankreichs gegen England läutet einen neuen Forschungsabschnitt ein: Die Arbeiten der Briten, besonders durch Howard Vyse, führten zur Entdeckung der Entlastungskammern, der Königskartusche und der Verschalungssteine. Das zunehmende europäische Interesse an der Cheops-Pyramide bringt Pyramidenfantasten auf den Plan wie beispielsweise John Taylor. Ihre Thesen besagen u.a., dass die Pyramide von einem von Gott auserwählten Volk erbaut worden sind, dass die Maßeinheit, mit der die Pyramide gebaut ist, den Durchmesser der Erde als Grundlage hat und mit dem englischen Zoll gleichzusetzen ist.

Im Zuge neuer Vermessungen des Bauwerks durch Charles Piazzi Smyth und vor allem William M. Petrie gelang es wissenschaftliche Grundlage zu legen, sich einen Überblick über die Maße und ihre Zusammenhänge zu verschaffen und auch neue Theorien über die Verwendung der Pyramide aufzustellen. Trotzdem sollten bis in die Gegenwart hinein immer wieder die im Grunde genommen widerlegten, fantastischen Thesen zum Bau und Funktion Einzug in die Auseinandersetzung mit der Cheops-Pyramide finden.

Oesers Buch ist eine knappe und interessante Darstellung über die verschiedenen Überlegungen und Thesen zur Entstehung der Cheops-Pyramide, wenn auch mit Schwächen in der Recherche (z. B. „Live and Work …“ statt „Life and Work …“ als Buchtitel aus S. 159) und Verkürzungen in der Darstellung.