Berenike and the Ancient Maritime Spice Route
California World History Library

Die östliche Wüste Ägyptens ist eine Region, der nicht nur eine eminente historische Bedeutung zu eigen ist, sondern die immer wieder durch den Reichtum der archäologischen Befunde und Funde sowie durch denjenigen an neuen, faszinierenden Texten in Gestalt von Inschriften, Papyri und v.a. Ostraka beeindruckt.[1] Das von Steven E. Sidebotham, einem der besten Kenner der östlichen Wüste, der seit der Mitte der 80er Jahre mit einer Vielzahl von Veröffentlichungen zu dem Thema hervorgetreten ist und zahlreiche archäologische Untersuchungen in der Region durchgeführt hat,[2] und seinem Team ausgegrabene Berenike darf insbesondere für den Ost- und Südhandel aus dem Imperium Romanum, aber auch für den Bereich von Studien zum Kulturkontakt, der Funktion und dem Funktionieren der römischen Armee – um nur einige Bespiele zu nennen – eine besondere Wichtigkeit für sich beanspruchen. Mit der hier anzuzeigenden Monographie aus der Feder von Sidebotham erfährt die Stadt eine fundamentale historische Analyse auf der Grundlage der archäologischen und schriftlichen Zeugnisse. Einen bedeutenden Hintergrund für diese Analyse bildet wie im Titel bereits angedeutet der Osthandel, der als raison d’etre Berenikes zu betrachten ist, aber jener ist nicht ausschließlich im Mittelpunkt der Darlegungen. Vielmehr liefert Sidebotham in seinem Werk eine umfassende Einbettung der Geschichte der Stadt in generelleren historischen Entwicklungen der Region und den dem Osthandel zugrunde liegenden historischen Strukturen. Dabei legt er seinen Fokus nicht nur auf Berenike und die Handelsroute über Ägypten, sondern betrachtet etwa die Routensysteme des Handels mit dem Osten allgemein. Auch fehlen Darlegungen zu dem mit dem Handel einhergehenden Kulturkontakten nicht.

Den Auftakt des Werkes bildet ein Kapitel, in dem Sidebotham die Geographie der Region, die klimatischen Gegebenheiten, die Berichte der antiken Autoren über die Region und die Aufenthalte moderner Reisender dort schildert (S. 7-20). Die Geschichte wie überhaupt die schiere Existenz der Stadt in einer Umwelt, in der es nahezu an allem mangelt, um eine Population von 500-1.000 Menschen (S. 68) am Leben zu erhalten, zeigt eindrücklich die Bedeutung, die die ptolemäische und die römische Staatlichkeit dieser Stadt als Tor zum Roten Meer zumaßen. Völlig zurecht unterstreicht Sidebotham daher, daß die Anstrengungen zur Versorgung der Stadt und der dort einlaufenden Schiffe sowie ihrer Besatzungen imposant sind (S. 12). Nach einer kurzen Betrachtung der vorrömischen Strukturen in der östlichen Wüste (S. 21-31), behandelt Sidebotham die diplomatischen, militärischen und kommerziellen Aktivitäten der Ptolemäer in Berenike und im Roten Meer, wobei die Befunde der Stadt eine breite Kontextualisierung erfahren (S. 32-54). Hernach steht das Verhältnis des ptolemäischen und des frührömischen Berenike zu seinem Hinterland im Fokus der Betrachtungen (S. 55-67). Im Zuge dessen konstatiert Sidebotham ein deutliches Wachstum der Stadt in römischer Zeit gegenüber der ptolemäischen Zeit (S. 59). Das Interesse staatlicherseits an der Stadt in der Kaiserzeit läßt v.a. daran zeigen, daß Berenike in einem Abstand von 7,2 bis zu 35 km von nicht weniger als 10 praesidia umgeben waren, die nicht nur die Schutz und Überwachungsfunktionen hatten, sondern auch die Versorgung der Stadt mit Trinkwasser gewährleisteten (S. 66). Besonderes interessant sind auch die nun folgenden Darlegungen zur Bevölkerung der Stadt (S. 68-86), in der sich zumindest für jeweils kurze Zeit Personen aus der ganzen antiken Welt trafen: Ägypter, Individuen aus der mediterranen Welt, aus Axum, der Sub-Sahara-Zone, Afrika, Arabien, ferner Nabatäer, Palmyrener, Personen aus Indien und sogar Singhalesen haben ihre Spuren dort hinterlassen (S. 69). Nicht weniger Interesse verdienen die nachweisbaren Veränderungen der Ernährungsgewohnheiten von der ptolemäischen zur römischen Zeit (S. 76) ebenso wie der Nachweis, daß auch Frauen und Kinder vor Ort waren (S. 76-77). Im folgenden thematisiert Sidebotham das Vorhandensein von Wasser in der Wüste und alle damit verbundenen Belange der Wasserversorgung und des Wasserverbrauchs (S. 87-124), um sich dann ausführlich dem Routennetz zwischen dem Niltal und der Küste des Roten Meeres zu widmen (S. 125-174). Dabei legt er auch eine äußerst nützliche tabellarische Übersicht der einzelnen Stationen auf diversen Routen vor (S. 129-135). Daran anschließend liefert Sidebotham eine Übersicht über andere Häfen am mare Erythraeum (S. 175-194).[3] Hieran schließt sich ein Kapitel zu antiken Handelsschiffen an (S. 195-205).[4] Es folgt eine Analyse der Stellung Berenikes im Netzwerk des Handels auf lokaler und regionaler Ebene sowie in demjenigen der fünf großen Handelsrouten des Fernhandels (S. 206-220).[5] Im Zuge dieser Betrachtungen widmet sich S. auch dem Thema Transportkosten und betont dabei die Saisonalität derselben. Demzufolge waren Landtransporte im Winter wohl kostengünstiger, weswegen man nicht einfach eine Überlegenheit des Wassertransports gegenüber dem Landtransport konstatieren kann, zumal die Kosten für die Instandhaltung der Schiffe im Roten Meer wohl immens gewesen sein dürften (S. 213-215). Interessant sind auch die Extrapolationen, die Sidebotham auf der Grundlage der Zahlen im berühmten Muziris-Papyrus (SB XVIII 13167) in bezug auf den Wert der Waren anstellt,[6] die pro Jahr in das Römische Reich eingeführt wurden: Demzufolge wurden Waren mir einem Wert von rund 17,64 Milliarden Drachmen importiert (S. 217-219). Im anschließenden Kapitel bietet Sidebotham zunächst einen Überblick über die Waren, die sich in Berenike im schriftlichen und materiellen Befund nachweisen lassen (S. 221-258). Das beeindruckende Spektrum reicht von Paternostererbsen, die in China als Gewichte Verwendung fanden (S. 230), bis hin zu Teakholz (S. 239). Ferner finden sich hier Ausführungen zur Handelsbilanz zwischen der römischen Welt und derjenigen des mare Erythraeum, zu der Frage, ob das kommerzielle Engagement sich vorzugsweise auf Luxusgüter erstreckte, die Sidebotham zurecht verneint (S. 251), und zur Rolle des Staates im Handel. Das abschließende Kapitel ist dem spätrömischen Berenike und seinem Mitte des 6. Jh. zu verortendem Niedergang gewidmet (S. 259-262).

Die von Sidebotham hier vorgelegte Monographie stellt einen absoluten Gewinn für die Forschung dar, da hier die erste umfassende Monographie zu dem wichtigsten ägyptischen Hafen am Roten Meer vorgelegt wird. Die Arbeit besticht durch die Breite des bearbeiteten Materials sowie diejenige der Einbettung Berenikes und seiner Rolle in den großen Zusammenhang der Kontakte zwischen der mediterranen Welt und der Welt der Erythra thalassa. Schließlich ist an dieser Stelle auch die Ausstattung des Bandes mit hervorragenden Karten positiv hervorzuheben. Sidebotham hat damit eine wertvolle und unbedingt lesenswerte Synthese seines wissenschaftlichen Schaffens in den letzten 25 Jahren vorgelegt.



[1] Vgl. nur e.g. H. Cuvigny (Hrsg.), La route de Myos Hormos. L’armée romaine dans le désert Oriental d’Égypte. Praesidia du désert de Bérénice I-II, Kairo 2003 (Fouilles de l’IFAO 48/1+2); dies., The Shrine in the praesidium of Dios (Eastern Desert of Egypt): Graffiti and Oracles in Context, Chiron 40 (2010), 245-299.

[2] Siehe nur S.E. Sidebotham, Roman Economic Policy in the Erythra Thalassa 30 B.C. – A.D. 217, Leiden 1986 (Mnemosyne 91); ders., The Red Land. The Illustrated Archaeology of Egypt’s Eastern Desert, Kairo 2008.

[3] Zu Leuke Kome und der Hebung der Tetarte dort s.a. A. Jördens, Statthalterliche Verwaltung in der römischen Kaiserzeit. Studien zum praefectus Aegypti, Stuttgart 2009 (Hist.-E. 175), 356-357. Zum Trajans-Kanal und seiner Bedeutung vgl. A. Jördens, Neues zum Trajanskanal, in: J. Frösén, T. Purola, E. Salmenkivi, Proceedings of the 24th International Congress of Papyrology Helsinki, 1st – 7th of August 2004 vol. I, Helsinki 2007 (Commentationes Humanarum Litterarum 122:1), 469-485 und J.-J. Aubert, Aux origines du canal de Suez? Le canal du Nil à la mer Rouge revisité, in: E. Herman, M. Clavel-Lévêque (Hrsg.), Espaces intégrés dans le monde romain, Paris-Besançon 2004, 219-252..

[4] Zu der 197 von S. behandelten miltärischen Seefahrt auf dem Roten Meer lassen sich nun noch weitere Belege dank zweier Neulesungen von Ostraka aus dem Nikanor-Archiv anführen, die deutliche Hinweise auf eine solche geben: vgl. G. Messeri, Un nuovo trierarco e la presenza della flotta romana nel Mar Rosso, in: F. Crevatin, G. Tedeschi (Hrsg.), Scrivere, Leggere, Interpretare. Studi di Antichità in onore di Sergio Daris, Trieste  2005, 4 (http://www.sslmit.univ.trieste.it/crevatin/Daris.htm [12.01.10]) = An.Pap. 16-17 (2004-2005), 69-73.

[5] Der von S. geäußerten Ansicht, der palmyrenische Fernhandel sei über Dura Europos gelaufen (212), ist freilich nicht zu folgen, vielmehr wurde die Route von Palmyra nach dem deutlich weiter im Süden liegenen Hit genutzt: vgl. M. Gawlikowski, Le commerce de Palmyre sur terre et sur eau, in: L’Arabie et ses mers bordieres I. Itinéraies et voisinages, Lyon 1988, 163-172, hier 169.

[6] Zu dieser Urkunde vgl. nun auch F. Morelli, Dal Mar Rosso ad Alessandria. Il verso (ma anche il recto) del ‘papiro di Muziris’ (SB XVIII 13167), Tyche 26 (2011), 199-233 mit bedeutenden Neulesungen zum recto und einer Reedition des verso.