Der Literaturbetrieb. Texte - Märkte - Medien.
Eine Einführung

Dass das, was gewöhnlich unter ,Literaturbetrieb' firmiert, ein mehr als heterogenes 'Ensemble von Institutionen und Praktiken' (S. 118) bezeichnet, ist in der Literaturwissenschaft mittlerweile ebenso ein Gemeinplatz, wie die Beobachtung, dass Literatur und Betrieb in vielfältiger Weise aufeinander angewiesen sind. Mit dem Anspruch, ordnende Einsichten in eben diese Zusammenhänge zu ermöglichen, legen Überblicke über und Einführungen in Prozesse der Herstellung, Verbreitung und Rezeption von Literatur die Leitlinien einer sich seit Kurzem zunehmend ihres Praxisbezugs versichernden Literaturwissenschaft. Steffen Richters Einführung in den Literaturbetrieb verortet sich in dieser Reihe von Fachpublikationen, positioniert sich mithin in einem Feld, das von Handbüchern wie Erhard Schützs 'BuchMarktBuch', der von Matthias Beilein und Heinz-Ludwig Arnold betreuten Neuauflage des Klassikers 'Literaturbetrieb in Deutschland' und Einführungen in den 'Literaturbetrieb' (Bodo Plachta) bzw. die 'Literaturvermittlung' (Stefan Neuhaus) bestimmt wird.

Der in der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft erschienene Band orientiert sich zur Strukturierung des 'diffusen Phänomens Literaturbetrieb' (Plachta) an klassischen Gesichtspunkten: Eingebettet in den Rahmen einer Einleitung, die insbesondere Literaturbetriebstheorien vorstellt, und eines Schlussteils, der in die Zukunft des Betriebs blickt, stellen fünf gut strukturierte Kapitel die Aspekte Autor, Literaturförderung, Literaturkritik, Strukturen und Prozesse in Verlagswesen und Buchhandel sowie den Zusammenhang zwischen Medien und Literaturbetrieb vor. Wie für die von Gunter E. Grimm und Klaus-Michael Bogdal betreute Reihe 'Einführungen Germanistik' üblich, ermöglichen Schlagworte am linken bzw. rechten Textrand nicht nur einen schnellen Überblick, sondern erleichtern auch die gezielte Suche nach spezifischen Aspekten. Ein gut sortiertes Literaturverzeichnis, nach Kapiteln strukturierte Listen mit wichtigen Weblinks sowie ein Namens- und Sachregister erleichtern zudem die Orientierung und Anschlusslektüre.

Auch wenn Richter in seinem einleitenden Kapitel verschiedene Theorien zum Literaturbetrieb benennt, orientieren sich die folgenden Kapitel an keinem spezifischen Theorieschema. Dass an der einen oder anderen Stelle feldtheoretisches Vokabular durchbricht ' die Rede ist etwa von 'symbolischem Kapital' (vgl. S. 84, 96f.) oder vom literarischen 'Feld' (vgl. S. 124) ', hat weniger analytischen Wert und ist eher dem allgemeinen Sprachgebrauch geschuldet, dem die literaturwissenschaftliche Rede vom Literaturbetrieb unterliegt. Unabhängig von der Frage, ob dies möglich oder wünschenswert wäre, steht eine kohärente Theorie des Literaturbetriebs denn auch noch aus. Bei der Beschreibung dessen, was er dann doch der Einfachheit halber zumeist als 'literarisches Feld' bezeichnet, konzentriert sich Richter auf die Beschreibung des deutschen Literaturbetriebs der Gegenwart und skizziert dort, wo es notwendig ist, pointiert wesentliche Leitlinien der historischen Entwicklung: etwa von Autorschaft, Literaturkritik, Verlag und Lesen / Lektüre.

Einleitend betont Richter, dass es seiner Einführung insbesondere um die Bedeutung der Digitalisierung für den Literaturbetrieb geht (vgl. S. 13). Hätten die vorliegenden Einführungen in den Literaturbetrieb (Plachta, Neuhaus) diesen wichtigen Aspekt eher vernachlässigt, wolle er das Verhältnis zwischen Betrieb und Medien stärker betonen. Dies gelingt anhand von Abschnitten über den Zusammenhang von Internet und Literatur sowie zu Veränderungen durch E-Book und Google. Beobachtet Richter dabei nicht zuletzt 'massive' und 'unübersehbare' 'Verwerfungen, die das literarische Feld durch die Digitalisierung erfährt' (S. 124), sympathisiert der Band indes durchaus mit eben jenem Phänomen, das er an anderer Stelle selbst thematisiert. Denn die Rede vom Betrieb ist scheinbar unvermeidlich mit der Betriebskrise verbunden: Die Krise der Literaturkritik, des Verlagswesens, einzelner Professionen (etwa der des Lektors) sowie der Literatur insgesamt, die von Medialisierung, Ökonomisierung, Eventisierung oder eben Digitalisierung bedroht sei, sind nur einige Ausläufer dieses immer wieder neu entfachten kulturkritischen Diskurses. Ob und wie eine Einführung hier eingreifen sollte, bleibt zu diskutieren.
An anderer Stelle, wenn auch eher kursorisch, so doch aber scharfsinnig und völlig zu Recht, weist Richter denn auch darauf hin, dass sich der Literaturbetrieb der Gegenwart durch eine gesteigerte Selbstreflexivität auszeichnet, die sich zum einen in diversen literaturkritischen Debatten zeigt ' nicht zuletzt zur vermeintlichen oder tatsächlichen Krise des Betriebs und der Literatur ' und sich zum anderen in sogenannter Literaturbetriebsliteratur äußert. Das Krisengerede gerät zum Gegenstand der Literatur und wird dort als Katalysator für literarische Reflexionen über das Verhältnis zwischen Literatur und Betrieb genutzt. Richters Hinweis auf die Thematisierung von Aspekten der Literaturvermittlung in literarischen Texten hat mithin nicht nur illustrierenden Charakter. Diese Texte ' etwa von Thomas Glavinic, Martin Walser oder Klaus Modick ' lassen sich vielmehr als Partikel von 'Metadiskurse[n]' (S. 15) verstehen, die auf eine Ausdifferenzierung des Redens und Schreibens über den Betrieb hindeuten.

Die Reihe 'Einführungen Germanistik' der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft zeichnet sich bereits seit einigen Jahren durch konzise, von ausgewiesenen Experten vorgelegte Einführungen in unterschiedliche Bereiche der germanistischen Literaturwissenschaft aus. Richters klar strukturierte, auf knappen Raum gehaltene, verständlich geschriebene und informative Einführung in die sozialstrukturellen Rahmenbedingungen von Literatur kann hier ohne Weiteres mithalten. Sie stellt deshalb eine gewinnbringende Anlaufstelle für jeden Literaturwissenschaftler und jede Literaturwissenschaftlerin dar, die sich über Strukturen und Prozesse der Produktion, Distribution und Rezeption von Literatur einen ersten Überblick verschaffen möchten.